geringere Geeignetheit dieser oder jener Sprache sagen mag, meine Meinung von der Sache geht dahin, daß man allemal in solchen Ländern am besten übersetzen wird, wo sich zur Fähigkeit, zur Liebe zur Sache und zum Verlangen nach literarischem Ruhm, auch noch jene äußerlich glücklichen Verhältnisse gesellen, die den Uebersetzer zum vollen Herrn seiner Zeit machen. Denn wenn auch einerseits nicht bestritten werden soll, daß das geschickte Uebertragen [-setzen] eine Sache des Talentes [sei] ist, so wag' ich doch andrerseits die Behauptung, daß es gelegentlich ebenso sehr eine Sache der Muße sei. Muse und Muße fallen hier mehr zusammen als irgend wo anders. Verzeihen Sie diese Abschweifung, zu der mir die vortrefflichen Uebersetzungen Longfellows, wie ich bekennen will, eine erwünschte Gelegenheit gegeben haben. Sachen wie „the black knight" (eine Uebersetzung des Uhlandschen „der schwarze Ritter") wie das Schloß am Meer und das „Glück von Edenhall" der längeren Uebersetzungen aus dem Spanischen und Schwedischen zu geschweigen sind wahre [Meister-] Kabinettstücke der [Uebersetzungs-] Nachdichtekunst und zeigen neben der Meisterschaft mit der Longfellow auch die schwierigsten Formen handhabt, zu gleicher Zeit den Ernst und die Liebe mit der der Uebersetzer an seine Arbeit gegangen ist.
Wir wenden uns nun seinen Prosa-Arbeiten zu. Es sind ihrer drei: Outre-mer; Hyperion und Kavanagh. Unter diesen ist „Kavanagh" die bekannteste, überhaupt vielleicht neben „Evangeline" und [vielleicht] allenfalls auch „Hiawatha" die ge- kannteste seiner Arbeiten. „Kavanagh, eine Erzählung" so lautet der einfache Titel. Es ist eine novellistische Arbeit in 30 kurzen Kapiteln, eine Art amerikanischer Dorfgeschichte, richtiger vielleicht eine Kleinstädter-Geschichte, denn Fairmeadow, der Schauplatz der Erzählung, ist halb [Dorf] Stadt halb [Stadt] Dorf und die kleinen Vorgänge die uns berichtet werden, rufen (vor allem] weniger das Bild eines Auerbach oder Jeremias Gotthelf als das Bild des großen, unübertroffenen Dichters und Schilderers kleinstädtischen Lebens vor unsre Seele, das Bild — Jean Pauls. Kavanagh ist eine Frucht die die Lektüre des „Siebenkäs" und verwandter Jean-Paulscher Schöpfungen, jenseits des Oceans [hervorgerufen] gezeitigt hat. Man kann zugeben, daß der nachgeborene Sohn den Vater an feinen Manieren übertrifft, daß er klarer, glatter, makelloser ist, aber es fehlen ihm dafür alle großen Züge, alle Zauber und Gewalten einer leidenschaftlichen Natur, die das weckt und giebt was sie selber hat und in raschem Wechsel, fast launenhaft, unser Herz zum lachen und zum weinen zwingt. Der Inhalt das Kern- und Mittelstück von Kavanagh ist außerordentlich einfach. Mr. Pendexter, der seit 20 Jahren in Fairmeadow d. h. in Schönwiese als Seelsorger gewirkt hat, verläßt seine alte Gemeinde und Mr. Kavanagh tritt für ihn ein. Mr. Pendexter war brav, aber alt und langweilig; Mr. Kavanagh ist auch brav, aber jung und interessant dazu. Um das Maß seiner Vorzüge voll zu machen, ist er auch unverheiratet und hübsch. Seine Predigten gefallen sehr, besonders den jungen Damen und binnen Kurzem wird er der Gegenstand mancher Hoffnungen und Träume. Miß Amelia Hawkins, die ältliche Schwester eines Ausschnitters und Posamentierers, liebt ihn ; Miß Cecilia Vaughan, jung, schön, reich und vornehm liebt ihn auch und Miß Alice Archer, die Freundin Cecilia Vaughans, liebt ihn still und schwärmerisch zugleich. Alice Archer ist blond, zart, blaß, ihre Hände sind durchsichtig wie das Milchglas einer Lampenglocke und ihre Augen sind grau und groß. Dieselben Augen haben die Eigenthümlichkeit, daß sie nur im Sommer sehen können, im Winter sind sie blind. Kavanagh ist ein vernünftiger Mann und verliebt sich in Cecilia Vaughan, die nicht blos hübsch und liebenswürdig ist, sondern auch etwas von jenem schwer zu beschreibenden Etwas hat, was man in England und Nord-