Heft 
(1989) 47
Seite
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Einfällen, von Sentenzen, Bildern und Vergleichen und wiewohl nichts geschieht und der novellistische Faden der sich hindurchzieht allerkümmerlichster Art ist, so wird einem doch alles lieb, der Ort und die Personen und mit einer Art Be­dauern sehn wir den Helden der Geschichte von Heidelberg Abschied nehmen, weil wir ein Gefühl davon haben, daß wir an keinem andern Ort der Welt wieder so froh und munter mit ihm Zusammentreffen werden. Um Ihnen nunmehr eine Vorstellung von der Longfellowschen Schreibweise zu geben, [über deren Ver­dienst und Nicht-Verdienst ich weiterhin Gelegenheit haben werde mich auszu­lassen] laß ich [nunmehr] beispielsweise einige jener Sentenzen und Vergleiche folgen, worin er ein für allemal excellirt.Jedes Herz, so heißt es an einer Stelle, hat sein Sorgengeheimniß und wir nennen manch einen kalt und verschlossen, dessen Herz nur eine heimliche Trauer trägt." An einer andern Stelle heißt es wie folgt:Wer leidet und wer ein bös Gewissen hat, der hüte sich der Natur dort in's Antlitz zu sehn, wo sie majestätisch vor ihm thront, in der Einsamkeit des Gebirges, denn ihr Ausdruck ist hart und streng und zeigt kein Mitleid für ihr schwaches [des], irrendes Kind. Wie ein klagender Erzengel steht sie vor ihm, der ihn vor den Richter ruft. Nur in den Thälern sitzt sie da wie eine Mutter Gottes, Thränen im Auge und mit einem Ausdruck voll Mitleid und Liebe." Leuchtende lyrische Gedichte so heißt es an einer andern Stelle muß man nehmen wie sie sind und nicht immer noch klarer und klarer in ihnen sehen wollen; wer das thut, der trägt leuchtende Glühwürmer ins Zimmer und findet endlich beim Licht seiner Lampe, daß es Käferchen sind wie so viele andre."1 7 Und noch eine vierte und letzte Bemerkung derart:Es gibt Leute, so sagt er, die taub sind für den genius loci auch des berühmtesten Orts. Sie schreiten über ein Schlachtfeld hin und hören nichts als ihre eigne Stimme. Sie gleichen jenem spanischen Gelehrten der das Thal von Ronceval 18 passierte und doch nichts andrem begegnete als einem armen Studenten, der auf einem Maulesel hindurch­ritt."

Das sind ein paar Citate aus dem Longfcllow'schenHyperion" aber das Buch enthält auch andre Züge und Elemente, die wohl geeignet sein könnten speziell unser deutsches Urtheil zu bestechen und uns zu einer unbedingten Anerkennung hinzureißen. Die ganze erste Hälfte des Buches ist nämlich ein Lobgesang auf Deutschland, ein herzlicher Liebesgruß von jenseits des großen Wassers und wirkt um so wohlthuender, als diese Liebe nie absichtlich hervortritt und mehr noch zwischen den Zeilen als in denselben steht. Wir begegnen den freundlichsten, oft den begeistertsten Urtheilen über unsre Künstler, Componisten und Dichter, über Goethe, Mozart, Jean Paul, Heine, selbst über Wilhelm Müller und Callot-Hoff- mann, über Brentano und Achim v. Arnim. Von desKnaben Wunderhorn" heißt es z. B.Unter allen deutschen Büchern hat es den tiefsten und zauberhaftesten Eindruck auf mich gemacht; ich habe eine Passion für alte Balladen; sie sind die Zigeunerkinder jeder Literatur, am Wege geboren, unter Zäunen und Hecken." Aber die Begeistrung Longfellows für Deutschland schließt mit der Bewundrung seiner Kunst und Dichtung keineswegs ab; Land und Leute sind ihm in gleicher Weise theuer. Vom Rhein sagt er:wenn ich ein Deutscher wäre, mit welchem Stolz würd ich auf diesen Strom blicken, der unter allen Strömen der schönste ist; wenn die Trauben seiner Weinberge ihn umkränzen, ist es als zöge Bachus dahin, triumphirend, lachend und selig in Wein und Wonne." Er liebt das Land aber er liebt auch das Volk. Als Mary Ashburton über seine Vorliebe für Deutsch­land und deutsche Bücher spöttelt, antwortet er rasch:ja ich liebe die deutsche Sprache und die Deutschen selbst. Ich weiß es, daß englische Kritiker gesagt

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