haben, alle deutschen Bücher röchen nach Taback oder nach Kuchenpapier, aber das ist mehr witzig als wahr. Ich liebe die Deutschen, die Männer sind brav und zuverlässig und die Frauen sind zärtlich und treu." So Longfellow und die Kritik sollte dem allem gegenüber entwaffnet dastehen, besonders wenn sie an Hand des amerikanischen Dichters auch noch einen Heidelberger Studenten-Commerce besucht und bei Beschreibung desselben plötzlich in bestem englisch folgenden Strophen begegnet:
What comes there from the hill What comes there from the hill What comes there from the leathery hill Sa! Sa
Leathery hill
What comes there from the hill ? 19
Aber so gewissenhaft der Postillon und die Mamsell Soeur und der lederne Herr Papa in dem Verlauf des Liedes Vorkommen und so humoristisch und wohlthuend das alles wirkt, so bleibt doch das letzte immer wieder, daß uns all diese Liebenswürdigkeit, all diese Fülle von geistreichen Sentenzen und Vergleichen über das durchaus eklektische Wesen, über die künstlerische Unselbständigkeit des Dichters nicht täuschen darf. Jean Paul und Heine haben dem Geist und der ganzen Anlage nach bei diesem Hyperion Gevatter gestanden, (viele Stellen sind geradezu aus ihnen entlehnt] und [auch] viele Urtheile, wie z. B. über Hoffmann, sind deutschen Büchern und Kritiken entlehnt. Die Belesenheit ist groß, Styl und Geschmack von feinster Art, aber es fehlt durchaus das, was uns veranlassen könnte mit König Philipp auszurufen: anders
Begreif ich wohl als sonst in Menschenköpfen,
Malt sich in diesem Kopf die Welt . 20
Wir wenden uns nun den Idyllen und epischen Dichtungen Longfellows zu. Es sind dies: Evangeline, Hiawatha und die Brautwerbung des Miles Standish. Über „Evangeline" und die „Brautwerbung des Miles Standish" sprech ich zuerst. Aber ich werde mich darauf beschränken Ihnen in möglichst kurzen Worten den Inhalt beider Dichtungen zu geben, indem ich von nun an, bei allem noch folgenden darauf Verzicht leiste, das sich immer gleichbleibende Urtheil zu wiederholen, daß wir's dem Longfellow gegenüber ein für allemal mit einer fein angelegten, zum Romanticismus hinneigenden [Dichter-] Natur zu thun haben, mit einem Dichter der auch in seinen unselbständigsten Sachen immer noch unsre Beachtung und Werthschätzung verdient, aber zu gleicher Zeit auch in seinen gelungensten Produktionen [immer noch] den Stempel der Originalität vermissen läßt. Der Art also nichts mehr! Zum Schluß mögen dann Beispiele sprechen, die ich mir erlauben werde Ihnen vorzutragen.
Zunächst also „Evangeline" eine Art nordamerikanisches Idyll, wenn man diese Bezeichnung von einer Dichtung gebrauchen darf, die einen tragischen Ausgang nimmt. Der Fülle und dem Reichthum seiner landschaftlichen Schilderungen, so wie der Vorliebe nach, mit der das Kleinleben einer dörfischen Colonie beschrieben [worden ist] wird, vielleicht auch mit Rücksicht auf die Form worin die Dichtung auftritt, darf man dieselbe immerhin ein amerikanisches Idyll nennen. Longfellow selbst aber hat den Titel gewählt „Evangeline, eine akadische Erzählung". Akadien nämlich ist der gemeinschaftliche Name für (jene Insel und Halbinsel) das Gebiet von Neu-Schottland und Neu-Braunschweig, das, nördlich vom Staate Maine gelegen, die zerklüftete Südostküste von Canada bildet. Halifax
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