Heft 
(1989) 47
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ist [seine] die Hauptstadt dieses akadischen Gebiets. Longfellow führt uns nur in den östlichsten Küstenstreifen dieses Insellandes, wo in alter Zeit schon fran­zösische [Kolonisten] Auswandrer aus der Normandie sich niedergelassen und, unter völliger Beibehaltung ihrer alten Sitten, eine französische Kolonie gebildet hatten. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts bildete, wie Canada selbst, so auch dieß sogenannte Akadien, ein beständiges Streitobjekt zwischen England und Frankreich. Die Bevölkerung verhielt sich meist neutral, mochte aber doch wohl in Folge [alter] all der Sympathien, wie sie gleiche Sprache, gleiche Religion und die französische Abstammung nur natürlich [machten] erscheinen ließen, mehr zu Frankreich als zu England hingeneigt haben. Als endlich die Inseln in dauernden Besitz Englands kamen, schritt das englische Gouvernement zu einem Akt äußer- ster Strenge (richtiger wäre wohl ungerechtfertigter Grausamkeit) [und] ver­bannte die ganze französisch-normannische Bevölkerung von diesem Küstenstrich hinweg und zerstreute sie über all die verschiednen Staaten des nordamerika­nischen Continents. Dies ist der geschichtliche Hintergrund der Erzählung, ihr Fundament. Der Rest ist bald erzählt. Evangeline die Tochter des alten Farmers Benedikt Bellefontaine, liebt Gabriel den Sohn des Dorfschmidts Basile 21 . Am Tage ihrer Hochzeit erscheinen die englischen Schiffe und der Führer derselben verkündigt dem entsetzten Volk das Verbannungs-Dekret. Die Auswandrung beginnt nun auf verschiednen Schiffen, Evangeline und Gabriel werden getrennt und die erstre, [nun] in unwandelbarer Liebe und Treue, sucht nun den Geliebten in allen Staaten und Territorien der Republik. Endlich hört sie, er lebe mit seinem Vater, dem alten Basile, in der Nähe von New-Orleans; [und] sie fährt [nun] den Missisippi (!) -Strom hinab um ihn endlich zu finden, aber [um dieselbe] genau zur selben Zeit fährt Gabriel denselben Strom hinauf, um den Westen und Norden als Jägersmann zu durchziehn [und). Evangeline findet wohl den Basile, der als reicher Farmer auf den Wiesen von Luisiana lebt, aber nicht ihn um dessentwillen sie gekommen. Suchte sie ihn vorher, so sucht sie ihn jetzt um so mehr, wo sie weiß daß er lebt, wo sie hört wohin er aufgebrochen ist; [mit im­mer wachsender Liebe und Unruhe] aber wie der Mond am Himmel der Sonne folgt ohne sie je erreichen zu können, so folgt Evangeline dem Geliebten 22 . Wenn sie den Ort erreicht, wo er war, so hat er ihn verlassen; endlich verliert sie seine Spur und nach langen Jahren des Suchens und Harrens ergiebt sie sich demüthig in ihr Geschick. Sie geht in eine der großen Städte des Ostens und tritt als barmherzige Schwester in eines der Krankenhäuser ein. Hier findet sie, nachdem abermals Jahre verflossen sind, den Geliebten in seiner Sterbestunde wieder. Ein Moment des Erkennens, dann scheidet sie der Tod; [aber] doch nur, um sie nach kurzer Frist schon [wieder] auf immer zu vereinen. Unbekannt sind ihre Gräber geblieben, aber an der akadischen Küste, wo, nach langen Jahren aus der Verbannung heimgekehrt, die schwachen Ueberreste der einst blühenden franzö­sischen Kolonie auch jetzt noch leben, erzählen [-t man] sich die Mädchen, [bis diesen Tag] wenn sie Abends am Spinnrad sitzen, die Geschichte von der treuen Evangeline". Das Seitenstück zuEvangeline" ist dieBrautwerbung des Miles Standish". Wie jenes auf akadischem Boden spielt, so dieses auf dem Boden Neu- Englands im Staate Massachusets (!); wie dort die liebliche Sage französischer Colonisten-Familien benutzt worden ist, so hier die Mittheilungen, die Longfellow dem alten Chronikenbuch der ersten englisch-puritanischen Ansiedler verdankt. Der Inhalt dieses wirklichen Idylls ist folgender: der nicht mehr junge Miles Standish, der seit Jahren ein Wittwer ist und [einen Bart der um Longfellows eigne Worte zu gebrauchen aussieht] von dem es im Gedichte selber heißt:

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