Heft 
(1989) 47
Seite
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Länder durchflutet ."3 7 Diese Äußerung liegt Fontanes Denken nahe, obgleich er sie in seinem Vortrag nicht zitiert hat. Mit Recht weist Fontane auch auf den deutschen Einfluß vor allem von seiten Jean Pauls auf dieses Werk hin3 8, das mit Goethes Zeilen aus Wilhelm Meister,Wer nie sein Brot mit Tränen .. . " beginnt. Der Stoff trägt viele autobiographische Züge. Churchills Kampf um die Erfüllung seiner künstlerischen Sendung angesichts der prosaischen Pflichten eines Schulmeisters ist eine humoristische Widerspiegelung von Longfellows eigener Lage als Akademiker. Seine Zeit war nicht den seltenen Freuden des wissen­schaftlichen Forschens gewidmet, sondern wurde vom täglichen Trott, unreife Geister auszubilden und dem Mangel an Sprachfibeln eigenhändig abzuhelfen, in Anspruch genommen.

Die Frage nach den von Fontane benutzten Longfellow-Ausgaben läßt sich leider nicht klären, nicht einmal, ob er die Werke in deutscher oder englischer Fassung kannte. Er beruft sich zwar ausschließlich auf Werke, die in deutscher Sprache Vorlagen, hat sie aber, wie es scheint, selbst im englischen Original gelesen. Dafür spricht auch, daß er auf Longfellows perfekte englische Übertragung des Fuchsliedes in Hyperion aufmerksam macht und auch in seinem Vortrag Zitate verwendet, die aber nach Fontanes üblicher Art und Weise ungenau sind39. Die von Fontane zitierte Beschreibung von Mr. Churchill in der Erzählung Kavanagh kann als typisches Beispiel für seine Verfahrensweise dienen. Im Original heißt es wie folgt: «Nature had made Mr. Churchill a poet, but destiny made him a schoolmaster. This produced a discord between his outward and inward existence. Life presented itself to him like the Sphinx, with its perpetual riddle of the real and the ideal. To the solution of this dark problem he devoted his days and nights. He was forced to teach grammar when he would fain have written poems; and from day to day, and from year to year, the trivial things of life postponed the great designs which he felt capable of accomplishing, but never had the reso­lute courage to begin. Thus he dallied with his thoughts and with all things, and wasted his strength on trifles; like the lazy sea, that plays with the pebbles on its beach, but under the inspiration of the wind might lift great navies on its outstretched palms, and toss them into the air as play things ."' 4 0 Bei Fontane also erhebliche unvermerkte Kürzungen, wahrscheinlich aus Zeitgründen, und eine ungenaue Übersetzung des Schlußbildes. Es kann natürlich sein, daß diese Über­setzung von anderer Hand stammt, oder aber, daß Fontane vorwiegend aus dem Gedächtnis zitiert hat. Daß er hier als Literat und nicht als Wissenschaftler vor­geht, kann man ihm nicht übelnehmen. Interessant ist, wie er die bildhaften Floskeln in Longfellows Sprache fast alle tilgt. Wie häufig bei seinen Balladen­übersetzungen, so hat er auch hier eine Version geschaffen, die straffer, nüchter­ner und logischer ist als das Original. Der eigentliche Kern der Sache bleibt dabei erhalten.

Aus Platzmangel lassen sich die anderen zitierten Textstellen nicht im einzelnen untersuchen, aber bei ihnen läßt sich Ähnliches feststellen. Nur bei Hiawatha kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß Fontane nach Freilig- rath zitierte, obwohl seine Übersetzung von Longfellows Vorbemerkung zu diesem Gedicht nicht von Freiligrath stammt, also wahrscheinlich eine eigene Nachfor­mulierung des Originals darstellt.

Hyperion, das zweite von Fontane geschilderte Prosawerk Longfellows, ist eine gefühlvolle, teils sentimentale Erzählung vom Lebensweg des jungen Helden mit noch stärkeren autobiographischen Zügen als Kavanagh, die trotzdem jahrelang

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