Hände fallen. Jörg Thunecke hat lange Zeit nach den Briefen gesucht, nachdem er einen leeren Aktendeckel mit der Aufschrift „Briefe Fontanes" gefunden hatte. Der Aktendeckel lag in New York, die Briefe fanden sich schließlich in Hamburg. Man braucht eine gute Nase für solche Dinge und vor allem Hartnäckigkeit, um Spuren zu verfolgen.
Wenn uns die Geschichte der Grüssauer und Gröditzburger Depots an die unglückseligen Folgen des Kriegsgeschehens erinnern, so auch gewisse Ereignisse, die den ausgelagerten Bestand des Fontane-Archivs betrafen. Es kamen dem Archiv damals, nach Kriegsende, sehr viele Manuskripte abhanden, die dann im Laufe der Jahre auf Auktionen wieder auftauchten. Der damalige Leiter des Archivs, Joachim Schobeß, hat sich bemüht, so viel wie möglich zurückzukaufen, aber viele Manuskripte, soweit sie überhaupt wieder auftauchten, sind in die Bestände anderer Archive und Bibliotheken sowie in Privatbesitz gelangt. Das betrifft auch den Briefbestand des Archivs. Dies ist ein trauriges Kapitel, denn auch hier ist der Versuch, durch die Gründung eines Archivs für eine „möglichst unzersplitterte Erhaltung" des Nachlasses zu sorgen, gescheitert. Das Fontane- Archiv war nicht das einzig leidtragende. Auch die Luther-Halle in Wittenberg vermißt seit Kriegsende drei Briefe Fontanes, die in Frels' Verzeichnis erwähnt werden. Der „Verein für die Geschichte Berlins" hat ebenfalls nach Kriegsende seinen ganzen literarischen Briefbestand verloren, darunter auch 42 Briefe Fontanes an Friedrich Wilhelm Holtze, die 1931 in den Besitz des Vereins gekommen waren. Auch da tauchte einiges später auf Auktionen wieder auf und wird jetzt im Deutschen Literaturarchiv in Marbach aufbewahrt. 1960 wurde dieses Material im Jahrbuch der Deutschen Schiller-Gesellschaft veröffentlicht. Für die Erforschung des Quellenmaterials der Wanderungen sind diese Briefe besonders wichtig. Zwei Briefe, die sich in den Vereinsakten befanden, sind durch Kriegseinwirkung vernichtet worden.
Auch Naturereignissen ist wichtiges Material zum Opfer gefallen. So ist 1923 durch das Erdbeben in Tokio der größte Teil des Nachlasses von Max Müller verlorengegangen, darunter auch -der Briefwechsel mit Fontane. Einige dieser Briefe sind in englischer Übersetzung überliefert.
Für eine möglichst vollständige Erfassung der Briefe Fontanes war die Durchsicht von Auktionskatalogen notwendig. Nur so konnte festgestellt werden, was einmal im Umlauf war, was in Bibliotheken und Archive oder in Privatbesitz gelangte, und was nicht mehr im Umlauf und möglicherweise verloren ist. Es sind aber immer noch viele Briefe im Umlauf, und es ist zu hoffen, daß die jetzigen Besitzer und Erwerber uns von solchen Briefen in Kenntnis setzen.
Es scheint mir verfrüht, an eine Schätzung der Anzahl aller von Fontane geschriebenen Briefe zu denken, und es würde auch zu nichts weiter führen. Es müßten die Tagebücher, die Notizbücher und Rückseiten von Manuskripten, auf denen sich häufig Briefentwürfe finden, durchgesehen werden. Diese Arbeit konnte für das Bestandsverzeichnis nicht unternommen werden.
Etwas über die Bearbeitung des im Zentralen Staatsarchiv in Merseburg (DDR) befindlichen Materials ist zu sagen. Es handelt sich hier mit wenigen Ausnahmen vor allem um Fontanes dienstliche Korrespondenz mit seinen Vorgesetzten während seiner Arbeit in der Zentralpreßstelle und während seiner Korrespondententätigkeit in England. Es ist eine dienstliche Korrespondenz, die jedoch in so persönlichem Ton gehalten ist und Fontanes Probleme in jenen Jahren so deutlich widerspiegelt, daß wir diese Briefe in das Bestandsverzeichnis aufgenommen
57