aufgespürt und identifiziert zu haben. Nur wer einmal in Vergleichbares verwickelt gewesen ist, kann das Ausmaß von Recherchen, Korrespondenzen, Autopsien (und auch Verwaltungsarbeit) ermessen, die hinter einer solchen Aktion stecken, die allein durch jahrzehntelanges Vertrautsein mit der Materie, persönliches Engagement und kriminalistischen Spürsinn, am wenigsten durch Glück und Zufall, zum Erfolg führt. Man weiß, welche Verwirrung in den älteren Ausgaben durch die Willkür der Datierung, durch das Zusammenlegen verschiedener Briefe zu synthetischen Texten gestiftet wurde; es ist bekannt, welche Verluste und Grauzonen durch Kriegs- und Nachkriegseinwirkungen entstanden sind und wie viele Handschriften — leider — auf Auktionen in der Bundesrepublik in anonym bleibende Privathände „abwandern". Erschwerend kommt hinzu, daß viele Briefe undatiert, andere ohne Adressaten überliefert sind.
Angesichts dieser Umstände ist es höchst respektabel, daß 5 842 Briefe (davon 4 286 Originale) ermittelt und systematisch verzeichnet werden konnten. Das Herausgeberteam hat dafür ein einleuchtendes und praktikables Verfahren entwickelt, das auf der chronologischen Anordnung beruht. Die Briefe sind jahresweise numeriert, nicht exakt datierbare Texte (lediglich 92) finden sich, alphabetisch nach Empfängern geordnet, am Schluß. Der Benutzer kommt mit diesem Prinzip problemlos zurecht, und ganz nebenbei kann er sich einen Einblick in Fontanes imponierende „Briefschreibeleistung" verschaffen.
Ganz besondere Anerkennung verdient schließlich die sachliche Erschließung jedes Briefes durch Angaben zur Überlieferung, zu Namen und Werken sowie durch die gründlich gearbeiteten Register. Verzeichnet werden jeweils zunächst die Standorte der Handschrift (H) beziehungsweise Abschrift (h) und (soweit existent) die Erst- und (wichtigsten) Folgedrucke, wobei auch auf Teildrucke aufmerksam gemacht wird. Auf diese Weise gewinnt man einen Überblick über die erstaunlich große Zahl ungedruckter (ca. 1 000) und nur auszugsweise veröffentlichter Briefe. Unter einem bequem nutzbaren Siglensystem werden dann die im Brief genannten Werke Fontanes, die Rezensionen darüber, alle Periodika sowie sämtliche Namen aufgeführt. Dabei sind auch indirekt oder verschlüsselt erwähnte Namen einbezogen, und in den zahlreichen Fällen, in denen Briefe unzuverlässig, teilweise oder gar nicht publiziert sind, erfolgte die komplette Auflistung nach der Handschrift oder der Kopie. Die Register, von Walter Hettche erarbeitet, bündeln all diese Fakten; es stehen Verzeichnisse der Briefempfänger, der Personen und ihrer Werke, der Verlage und Buchhandlungen, der Zeitungen und Zeitschriften und der Werke Fontanes zur Verfügung (überdies noch eine Liste der Tunnel-, Rütli- und Ellora-Namen). Das Buch stellt mithin ein bisher einmaliges Informationsangebot bereit, das künftige wissenschaftliche und edito- rische Arbeit erleichtert und bereichert. Es ist das Resultat von Fleiß und Umsicht, von individueller Forschungsarbeit und elektronischer Datenverarbeitung. Nebenbei bemerkt: Es verwundert, daß der jüngst erschienene Registerband zur vierbändigen Briefausgabe des Hanser Verlages, der doch sichtlich von dem großen Verzeichnis profitiert, dieses und seine Verfasser mit keiner Silbe erwähnt. Wenn vom Informationsreichtum des Werks die Rede ist, muß speziell auch auf die Einführung von Charlotte Jolles hingewiesen werden, die über „Bestand und Edition" von Fontanes brieflichem Nachlaß berichtet. Was die hochverehrte Nestorin der Fontane-Forschung auf wenigen Druckseiten an Kenntnissen und Erkenntnissen ausbreitet — die Leser der Fontane-Blätter können es im vorliegenden Heft selbst überprüfen —, ist ein faszinierendes wissenschaftliches Referat, das sich gleichwohl spannend wie ein Detektivroman liest, in dem bei
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