Heft 
(1989) 47
Seite
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der Sicherung von Nachlaßspuren ein Kapitel Fontane-Rezeption aufgeschlagen wird und Aspekte der Politik- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts sicht­bar werden.

Charlotte Jolles erörtert freilich auch freimütig, wieviel möglicherweise noch verschollen ist und was eventuell erneut zugänglich werden könnte. Und tatsäch­lich ist seit dem Erscheinen des Bandes bereits eine Handvoll Briefe, die noch nicht verzeichnet sind, aufgetaucht. Das liegt in der Natur der Sache und schmälert nicht im geringsten die großartige Leistung aller, die an diesem Verzeichnis der Fontane-Briefe mitgewirkt haben.

Hans Ester, Nijmegen (Hrsg.)

Paul Schlenthers Rezension über Fontanes RomanFrau Jenny Treibel" (1892). Mehr als eine Anzeige

Als Kritiker der Werke Fontanes tritt der ursprünglich aus Insterburg in Ost­preußen stammende Literaturkritiker Paul Schlenther (18541916) erst mit einer Besprechung von Ellernklipp in Erscheinung. 1 Geht es in diesem Falle noch um eine relativ kleine Besprechung, die danach erschienenen Werke Fontanes erfreuen sich Schlenthers voller Aufmerksamkeit, und seine Rezensionen nehmen von ihrem Umfang und ihrer Qualität her ständig zu. Nach Ellernklipp hat Schlenther nur wenige zu Lebzeiten Fontanes erschienene Werke unbesprochen gelassen. 2 Von allen Romanen und Novellen Fontanes konnte besonders Irrun­gen, Wirrungen mit Schlenthers Begeisterung und öffentlicher Förderung rech­nen. 2 Bis zum Erscheinen von Effi Briest, 1895, ist Irrungen, Wirrungen derjenige Roman Fontanes, der zur ästhetischen Norm wird, an der der Rezensent auch andere Werke des Autors mißt. In der Rezension dieses Werkes, in der Schlenther die Figurenkonstellation und den Gehalt positiv würdigt, faßt er gleichermaßen seine künstlerisch-ästhetischen Auffassungen zusammen. Hier wird deutlich, was Rainer Bachmann in seiner Dissertation Theodor Fontane und die deutschen Naturalisten. Vergleichende Studien zur Zeit- und Kunstkritik in bezug auf das Ineinandergreifen von ästhetischer und ethischer Wertung feststellt:Es wird eine Kunstform, die das gegenwärtige Leben und seine menschlichen Probleme wirklichkeitsnah darstellt der Zeitroman also, als der Wahrheit am nächsten stehend empfunden. Ihr wird der höchste Grad ethischer Qualität zugesprochen, was sich für die Naturalisten und für Fontane zugleich auch auf die ästhetische Bewertung erstreckt. Denn die größte Wahrheit in der Kunst ist für sie alle immer auch von größter Schönheit."4

Paul Schlenther war im Laufe der Jahre nach 1885 ein naher Freund Fontanes geworden, was eine gewisse Feierlichkeit, einen bestimmten distinguierten Stil im Briefverkehr nicht ausschloß. Fontanes Jubiläumsjahr 1889 ist mit gutem Grund