wenn sie Treibel, nee' Bürstenbinder, heißt". Und ein ander Mal, als besagter Corinna von besagter Jenny Treibel die Aussichten, deren Schwiegertochter zu werden, etwas unsanft versperrt worden sind, giebt der alte Schmidt seiner nicht allzu niedergeschlagenen Tochter einen Kuß auf die Stirn und sagt: „Corinna, wenn ich nicht Professor wäre, so würd' ich am Ende Sozialdemokrat". Und die gute Schmolke, die Wittwe des Schutzmanns Schmolke von der Sittenpolizei, die den alten Schmidt und seine Corinna betreut, fügt hinzu: „Ja, das hat Schmolke auch immer gesagt". Dies sind einige der Verbalspitzen gegen das Protzenthum unter den Bourgeois. Wenn aber die Bourgeoisie nur geldstolz wäre und, ohne sich viel um die übrige Welt zu kümmern, auf ihren Geldsäcken sähe, etwa wie es die mit den Treibels (Köpenicker Straße, Berliner Blau) verschwägerte Familie Munck (Hamburg, Uhlenhorst, Kohlcngeschäft) thut, so hätte das allein den Dichter kaum gereizt. Frau Jenny Treibel aber, die Tochter des Kolonialgeschäfts in der Adlerstraße, will anders erscheinen als sie ist. Man möchte dieser richtigen Berlinerin immer auf gut Berlinisch zurufen: „Jottedoch! thu dir man nich so!" Sic schwärmt für alles Romantische, alles Ideale, alles Poetische, Ästhetische, Ethische und Etepötetische. Noch heute, trotz Kommerzienräthin und rundlicher Fülle, singt sie am Klavier, begleitet von einem alternden Opernsänger, ein kleines Liebeslied, das einst in den Tagen der Rosen ihr Jugendgespiele Wilibald Schmidt ihr gedichtet hat, das „Glück ohne Gold" fabulirt und mit den Worten schließt:
Ach, nur das, nur das ist Leben,
Wo sich Herz zum Herzen find’t.
Zeitlebens blickt sie in Wehmuth und Rührung auf jene Jugendliebe zum braven Wilibald zurück, der ihr Interesse für das Höhere besser gefördert hätte, als es in der Villa Treibel sein kann. Und ihr Auge wird feucht, wenn sie seiner gedenkt, und ihre Stimme zittert, wenn sie ihn, der noch immer in der Adlerstraße wohnt, dort besucht. Derweil sie sich mit dem dicken, gemüthlichen Treibel das Leben angenehm macht, weidet sie sich an ihrer unglücklichen Liebe zum edlen Wilibald, der ihren Verlust längst verschmerzt hat, ihren Empfindsamkeitsmanövern längst auf den Grund schaut und sie aufs jovialste ironisirt, was sie nicht merkt. Das geht nun so, so lang es geht und steht sich eine Weile höchst belustigend an. Aber die Herztheorie der Madame Jenny wird auf eine ernste Probe gestellt und soll sich nun praktisch bewähren. Ihr Jugendfreund Wilibald hat eine Tochter Corinna, und sie selbst hat zwei Söhne, richtige „Großjungens" gutmüthigerer Art. Der ältere, Otto, ist bereits verheirathet mit einer für Weißzeug und englisches Wesen, sonst aber für nichts enthusiasmirten Munck aus Hamburg, der jüngere, Leopoldchen, ist noch zu haben, und einer zweiten Munck aus Hamburg soll er nicht gegönnt werden. Die sentimentale Parvenu-Bourgeoisie aus der Köpnicker Straße fühlt sich durch die naive Ur-Bourgeoisie von der Uhlenhorst zu sehr verschattet, wie sich das Unechtere vom Echteren immer verschattet fühlt. Und auch Leopoldchen will nicht; denn hinter Mamas Rücken ist der gute Junge sterblich verliebt; und zwar in keine Andre als in Corinna Schmidt, die alles hat, was ihm fehlt: Geist, Leben, Munterkeit, Witz, Energie. Und das Einzige nur fehlt ihr, was er selber hat: Mittel, das Leben in großem Stile zu genießen. Raules Hof ist ihr ein zu enger, dürftiger Zugang in ihr Heim. Es wandelt sie in ihren nicht allzu grünen Jahren eine Sehnsucht an nach weiten Parks, weiten Weltreisen, glänzendem Wohlleben. So sehr sie sonst nach ihrem Vater geartet ist, so fehlt ihrer Jugend und ihrer Mädchenschaft noch etwas von jenem philosophischen Gleichmuth, der sich eine innere Welt erbaut und in dieser