Heft 
(1989) 47
Seite
72
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die Beschreibung des jahrealten Konflikts zwischen Opitz dem Förster, Inbegriff preußischer Untugenden, und Lehnert Menz, dem frei und nobel gesinnten Wilde­rer, diesen bis zu einem gewissen Grade. Die Erzähler sympathisieren mit den Außenseitern Friedrich, Grete und Lehnert, die von ihrer Umwelt und den sozialen Bedingungen zu Verbrechen getrieben werden. Der Tod dieser drei wie auch des Heidereiters in Ellernklipp und Ursel Hradschecks in Unterm Birnbaum steht in engem Zusammenhang mit der Tat und kann als bewußte Buße betrach­tet werden. Anders im Falle Abel Hradschecks, dessen Tod zweifellos als Strafe aufzufassen ist, aber nicht als Sühne. Hier fehlt es denn auch an jeglichem Mit­gefühl von Seiten des Erzählers.7

Droste-Hülshoffs und Fontanes Interesse gilt also dem Zusammenspiel aus innerer Anlage und äußeren Umständen in der Entwicklung ihrer Protagonisten zu Verbrechern. Aus der Art, in der sie die Täter ihr Ende finden lassen, spricht aber gleichzeitig der Glaube an ein rächendes Schicksal.. Die Mörder entgehen ihrer Strafe nicht, auch wenn sie, wie Friedrich Mergel durch langes Leiden und Lehnert Menz durch ein Leben für andere, schon gesühnt zu haben scheinen. Das alttestamentarischeAug' um Auge, Zahn um Zahn" ist stärker als jedes christliche Mitleid. 8 Die mahnenden Eingangsverse der Judenbuche und die Güte und Milde des Herrn von S. gegenüberJohannes"; das barmherzige Angebot der Domina von Arendsee an Grete Minde; Hildes Versuch, entsprechend dem Gebot liebet eure Feinde" zu leben; Ursel Hradschecks Verlangen nach Buße und Ver­gebung und die tätige Nächstenliebe der Mennoniten, an der Lehnert Anteil hat, bleiben Ansätze ohne Wirkung in keiner der fünf Erzählungen wird dem Täter Gnade und Verzeihung zuteil. Dies fatalistische Gerechtigkeitsdenken drückt die Witwe Aarons in der Judenbuche durch den Spruch aus dem dritten Buch Mose aus, den siestumpfsinnig . . . zuweilen hervorstieß" (515). Hier wird bereits auf die ähnliche Bedeutung der Inschrift an der Buche hingewiesen, die der Leser erst am Ende erfährt (528). Auch in Fontanes Kriminalerzählungen findet sich der Schicksalsglaube häufig in einer Spruchweisheit ausgedrückt.Aug' um Auge und Zahn um Zahn" wird in Ellernklipp ebenfalls zitiert und zwar in bezug auf den Heidereiter, der in seinem Verhältnis zu den Wilderern, denen er nachstellt, ganz und gar nach dieser Maxime lebt (134). Hilde fühlt sich davon abgesteßen, aber das Leben lehrt sie, Melcher Harms' Überzeugung zu akzeptieren, welche sie dann auch auf ihren Grabstein meißeln läßt:Ewig und unwandelbar ist das Gesetz" (209, 212). Im Einklang mit dem alttestamentarischen Gerechtigkeitsden­ken, das er vertritt, gibt sich der Heidereiter den Tod an dem Ort, an dem er seinen Sohn tötete: eine weitere Bestätigung des Spruches von Melcher Harms. Auf das Motiv der Rückkehr des Mörders zum Ort seines Verbrechens, welches auch in der Judenbuche anzutreffen ist, wird noch zurückzukommen sein.

Häufig läßt die Distanz der beiden Autoren zu den Gestalten, denen sie Spruch­weisheiten in den Mund legen, auf eine ambivalente Haltung gegenüber dem Wahrheitsgehalt dieser Sprüche schließen. Simon in der Erzählung Droste-Hüls­hoffs zitiert eine Reihe von Sprichwörtern in bezug auf die Situation seiner Schwester, wodurch er sich zwar alsRepräsentant der Volksmeinung" ausweist. 9 Eben diese Volksmeinung wird aber in Zweifel gezogen, da wir wenig später feststellen, was für ein Charakter er ist (490 ff.). Melcher Harms, dessen Spruch wie eine Art Leitmotiv immer wieder in Ellernklipp auftaucht, hat nicht den ungeteilten Beifall des Autors (obwohl dieser bekanntermaßen calvinistische Nei­gungen hegte), da er Hilde letztlich nicht die Hilfe gewähren kann, die sie sucht (209). Die Aufforderung zur Demut von Seiten des Doktors (mit unserer Kraft