Heft 
(1989) 47
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ist nichts getan", 198) richtet bei dem Heidereiter nichts aus. 10 Was er den jungen Leuten predigt:alles Unrecht muß heraus" undIst auch noch so fein gesponnen, muß doch alles an die Sonnen" (156) bewahrheitet sich an ihm selbst.

Diese letztgenannte Variation war Fontanes Tagebuch zufolge in verschiedenen Variationen zunächst als Titel der Erzählung Unterm Birnbaum vor­gesehen. 11 Zweifellos kann sie als eine Art Leitspruch für den Verlauf der Hand­lung angesehen werden. Schon Ursel zitiert diesen Satz als Einwand gegen die Pläne ihres Mannes (468), und Pastor Eccelius schließt seine Eintragung ins Kirchenbuch (und damit die Erzählung selbst) mit ihm (554). Das entbehrt nicht der Ironie, da Eccelius in seiner Verblendung alles andere getan hat, als Hrad- schecks Verbrechenan die Sonnen" zu bringen. Auch in diesem Falle wird die ambivalente Haltung des Erzählers deutlich, der einerseits in seiner Geschichte einen Beweis für die Richtigkeit dieses Spruches liefert, andererseits aber in der impliziten Kritik an der Person, die ihn äußert, seine Gültigkeit wieder in Zweifel zieht. Da man davon ausgehen kann, daß Sprichwörter etwas über die gesellschaftlichen Maßstäbe derer, die sie verwenden, aussagen, d. h. Erfahrungen und Werthaltungen einer Gruppe in leicht faßlicher Form wiedergeben, dient ihr Einsatz. Droste-Hülshoff und Fontane als Mittel zur Gesellschaftskritik. In ihrer Benutzung von Bibelzitaten wird das noch deutlicher: Ursels GrabspruchWenn ihr den Menschen ihre Fehler vergebt, so wird euer himmlischer Vater sie auch euch vergeben" (Evang. Matthäi 6, V. 14 ,-533) wird weder von ihr selbst beher­zigt, soweit man aus der Sterbeszene schließen kann (525527), noch von den Tschechinern, und Eccelius, der den Spruch wahrscheinlich ausgesucht hat, nimmt als selbstverständlich hin, daß ihr Grabkreuz abgerissen wird (552553). Abel Hradscheck wird schon zu Anfang als nicht gläubig gezeigt (463464); seine eher mechanisch geäußerten als tiefgefühlten Zitate von Bibelsprüchen dienen der Rechtfertigung seiner Tat (Not kennt kein Gebot", 462) und stellen ihn gar in eine Reihe mit dem Verräter Christi (Was du tun willst, tue bald", 545). Mit unterschwelliger Ironie entlarvt Fontane hier wieder geheuchelte Religiosität.

Bei beiden Autoren spielt der Glaube an Vergeltung als schicksalhafte Fügung eine beherrschende Rolle. Literaturgeschichtlich gesehen war dies schon im 18. Jahrhundert ein vielfach verwendetes Schauermotiv. 12 Nach Moritz hat Droste- Hülshoffdurch die Konzentration der schicksalhaften Vorgänge auf die Buche diesen Baum zum Dingsymbol werden lassen, womit sie der Mode ihrer Zeit folgte, geheimnisvolle Zeichen zu mahnenden Symbolen eines rächenden Schick­sals zu machen." 1 3 In Fontanes Kriminalerzählungen läßt sich eine Variierung dieser Mode verfolgen. Im Gegensatz zu den Vorgängen in der Judenbuche wirkt die Rückkehr des Heidereiters zum Ort seines Verbrechens und sein Selbstmord eher trivial (202 f.). Umso bedeutungsvoller erscheint rückblickend die erste Erwähnung der Ellernklipp, bei welcher Gelegenheit bereits auf Hildes fatale Anziehungskraft hingewiesen wird, so daß Bocholts WorteIch werde sie zu hüten haben" einen ironischen Beiklang bekommen und Pastor Sörgelsfreudige (. ..] Bewegung" symptomatisch wird für seine Fehleinschätzung der Situation (108). Auch in der Judenbuche haben die ersten Szenen im Brederholz, dem Schau­platz mehrerer Todesfälle, vorausdeutende Funktion: Simons und Friedrichs erster gemeinsamer Gang bei Nacht und ihr Gespräch über das Beten (493 f.) ,- Friedrichs Begegnung mit dem Förster (502). Bei dieser Gelegenheit hat er wie Bocholt in Ellernklipp (176) und Lehnert in Quitt (295) die Möglichkeit, seinen Feind zu retten (502), nimmt sie aber nicht wahr. Alle drei Täter tragen ihr Leben lang schwer an der Schuld und finden schließlich am Schauplatz ihrer Tat bzw.

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