Heft 
(1989) 48
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Vor Allem ist es die Ballade, die er solchergestalt bis jetzt mit bestem Erfolge gepflegt hat. SeineRosamunde" scheint den Beginn dieser Weise seiner poeti­schen Thätigkeit zu bezeichnen; sie hat noch wesentliche Mängel; aber das Knappe, Feste, Entschiedene kündigt sich darin doch schon auf sehr bestimmte Weise an. Spätere seiner Balladendichtungen sind runder, voller, tiefer ergrei­fend. Besonders das Studium der altenglischen und schottischen Balladen hat ihn wesentlich gefördert; er hat deren mehrere vortrefflich übersetzt und er ist von der bloßen Uebersetzung zu eigenthümlich freien Bearbeitungen fortgeschritten, welche das in jenen Volksdichtungen doch oft nur roh fragmentarisch oder zusammengestückelt Vorliegende (wie zumeist in den Volksdichtungen, die lange von Mund zu Mund gingen und zersungen wurden,) zum ächten Edelstein ausgeschliffen, das Naive ihres Inhalts zur eigentlichen und schlagenden Wirkung gebracht haben. Alles Mißliche, welches in solchem Verfahren bei einer geringe­ren Begabung, bei einem minder reinen Verständnisse des wahren inneren We­sens jener Dichtungen sich ergeben könnte, erscheint mir hier zugleich auf das Glücklichste vermieden, der Art, daß ich Aehnliches in unsrer Literatur überhaupt nicht nachzuweisen wüßte. So ist er gleichzeitig auch zu andern selbständigen Balladendichtungen gekommen, die mir eine nicht minder bedeutungsvolle Stelle in unsrer poetischen Literatur zu bezeichnen, die dies Genre der Poesie zu einer Entwicklung zu bringen scheinen, welche bisher noch nicht erreicht war. Mit Vermeidung alles Versgeklappers, daran sonst unsre Balladen, oft bei sehr nam­haften Poeten, nur zu häufig leiden, hat er die wohllautendste Fülle der Form sich zu eigen gemacht; mit dem naiven Ton des Volkes verbindet er die ganze Kraft des energischen dichterischen Bewußtseins. Er ist, wenn ich nicht irre, be­rufen, Dasjenige, was Bürger bei uns zuerst angestrebt, zum Höhenpunkte zu führen, und er hat dies meines Erachtens zum Theil schon gethan. Nächst der Rosamunde geben die in dem Gedichtbande vom J. 1851 und die in dem hand­schriftlichen Hefte enthaltenden Balladen das anschauliche Bild eines Entwick­lungsganges, der mit den gediegensten Leistungen schließt. Daß aber keines- weges sein Talent und sein Streben in dieser einen Richtung abgeschlossen sei, dürfte sich schon aus andern der vorliegenden Proben ergeben: aus denPreußen­liedern" mit ihrem so volksthümlich kräftigen, darum aber nicht minder künst­lerisch durchgebildeten Klange (und wo allein schon der Schluß des Liedes auf den alten Dessauer, S. 10, wie volles Erz klingt,) und ebenso aus der anmuth- vollen Prosa, der lebenvollen Schilderung, dem über einem tiefen sittlichen Ernste gaukelnden Humor seinerLondoner Briefe".

Was ferner sich schon bei einigem Studium seiner Poesie, wie auch seiner Prosa, ergiebt und was ich im persönlichen Verkehr oft habe innig bewundern müssen, ist der tiefe strenge Ernst, mit welchem er arbeitet. Da ist nichts oberflächlich hingeworfen, nichts wie leicht es in der Ausführung erscheine was nicht das Ergebniß treuer, nie rastender künstlerischer Arbeit wäre. Ich weiß, daß einzelne Strophen seiner Gedichte das Resultat mehrwöchentlicher Anstrengungen sind.

Er ist nicht im Stande, von der Arbeit abzulassen, ehe sie nicht das geworden ist, was sie seiner Intention nach sein sollte, ist somit aber freilich auch in keiner Weise im Stande, aus der dichterischen Production irgendwie eine Art von ein­träglichem Geschäft zu machen.

So ist zugleich sein ganzer persönlicher Charakter. Ueberhaupt spiegelt sich darin, schon in seiner äußeren wohltuenden Erscheinung, der ächte Poet ab. Seine edle Gestalt, sein Blick spricht die innere Noblesse und Reinheit seines Wesens

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