Heft 
(1989) 48
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aus; dabei ist er, bei allem ärgerlich Bedrückenden seiner Lage, heiter und harm­los wie ein Kind, und, schon bedenklich kränkelnd, spricht er wenn er es überhaupt einmal thut nur mit lächelnder Resignation von der vielleicht nahen Zeit, da dies harmlose deutsche Dichterleben vorübergeweht sein werde. Die tiefe Wehmuth, die mich bei solcher Äußerung erfaßte, ist es, was mir zunächst die Feder in die Hand gegeben hat. Daß ich aber nicht etwa zufällig in meinen Gefühlen für ihn befangen bin, daß auch / gestrichen: die / Andere, die mit ihm in Verkehr stehen, seinem edeln Talent und seiner liebenswürdigen Persönlichkeit mit herzlicher Zuneigung ergeben sind, möge u. A. das kleine Factum bezeugen, daß die hiesige literarische Sonntagsgesellschaft, die den Namen desTunnels" führt und deren werthes Mitglied er ist (wie auch ich dazu gehöre) ihm aus freien Stücken zu seiner vorjährigen englischen Reise aus ihrem kleinen Vermögen 100 rth zwar nicht als Geschenk, was die Statuten nicht erlauben, aber doch als unverzinsliches Darlehen aufunbestimmte" Zeit verehrt hat.

Daß er in der Pharmacie, nach rite absolvirtem Examen und mit besten Zeug­nissen versehen, keine sichere Zukunft gesucht hat, daß er auf eine unsichere Zukunft hin geheirathet hat, klug ist beides wohl nicht zu nennen, aber werde ich ihn darum für Beides, wozu Geist und Herz ihn getrieben, vor Ihnen ent­schuldigen müssen? Wenigstens gehört er nicht zu jenen, oft glänzenden Schrift­stellern, in deren unerquickliche Häuslichkeit man nicht blicken darf; wenigstens thut er Alles, was bei seiner Lage in seinen Kräften steht, daß sich das stille be­scheidene Glück seiner Häuslichkeit, die auch den Besuchenden wohlthuend / unleserlich durchstrichen / umfängt, nicht trübe, / durchstrichen; Er ist / Aber er zehrt sich, wie seine äußere Lage einmal ist, auf. Er ist, obgleich er in jener Be­schäftigung bei der Preuß. Zeitung ein kleines Einkommen gefunden, das wenig­stens die dringendsten Bedürfnisse seiner häuslichen Existenz deckt, doch kein Zeitungsschreiber, kein Journalist. Er schätzt sich glücklich, daß ihm seit einiger Zeit bei der Pr. Zeitung eine Thätigkeit zugewiesen ist, die ihn nicht zur eigent­lichen Tagesschriftstellerei nöthigt, die ihn den größeren Theil des Tages für Andres frei läßt und ihn nur Abends, etwa von 812 Uhr, in Anspruch nimmt, nemlich die Besorgung der Revisionen und Correcturen im Lokale der Druckerei, und er hat mit diesem kümmerlichen Glück den Grund zu einem Uebel gelegt, das, wenn nicht entschieden, dagegen eingeschritten wird, vielleicht nur allzubald Alles für ihn beenden wird. Seine körperliche Constitution ist wenig derb; er hat den ganzen Winter über jene Stunden in der schwebenden Hitze des Druckerei­lokales zugebracht, hat dann den weiten Weg in nächtlicher Kälte und Sturm, über die Spreebrücke denn er wohnt jenseits, in der Louisenstraße) machen müs­sen, und so hat sich ein hartnäckiges Halsübel eingenistet, das trotz längerer Kur noch immer nicht weichen will und das seinem ganzen Aussehen ein Gepräge gegeben hat, welches seine Freunde nur mit sehr ernster Besorgniß erfüllen kann.

Und wäre es nur die Sorge um den Menschen, die Sorge um die Seinen! Das Leben härtet uns hinlänglich ab, um in dem sich so oft Wiederholenden doch Etwas finden zu können, was fast wie eine Art von Trost aussieht. Aber es han­delt sich ja eben um ein dichterisches Talent, das nicht etwa bloß die Möglichkeit künftiger Leistungen verspricht, das sich schon zur vollen meisterlichen Kraft entwickelt hat, das in sich die vollste Gewähr noch weiteren gediegenen Fort- schreitens trägt und das in heutiger Zeit als ein so gar seltenes bezeichnet werden muß. Wenn ich Geibel, dessen Lyrik ihren Höhepunkt bereits erreicht hat, wenn

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