Heft 
(1989) 48
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ich Scherenberg mit seiner energischen historischen Epik, wenn ich etwa B. von Lepel in seinem dichterischen Ringen, wenn ich ein Paar hoffnungsvolle junge Talente, wie das weit hinausgreifende von P. Heyse, das liebenswürdig spielende von O. Roguette, ausnehme, so wüßte ich augenblicklich neben Fontane schwer einen andern zu nennen, sollte ich nicht etwa Partei- und Tendenzstandpunkte der einen oder der andern Art mit berücksichtigen. Was ihn aber meines Erach­tens, ähnlich wie Geibel nur auf einem vielleicht gröberen Felde) so eigenthümlich auszeichnet, ist eben jenes unermüdliche Streben nach ächter künstlerischer Voll­endung.

Die Poesie hat eine Stellung zum Leben, oder vielmehr das Leben zur Poesie, eingenommen, daß man heutiges Tages den Poeten fast einen Thoren nennen muß. Die darstellenden Künstler der Bühne finden, wenn sie nur halbwegs begabt sind, überreichen Lohn; für die bildenden Künstler existiren Aemter, durch die sie getragen werden, sogenannte Ateliergehalte, Staats-Pensionen; für die Musi­ker mancherlei Aehnliches. Der Dichter, wenn er nicht für Leihbibliotheken schreibt, wenn er sich nicht einer brennenden Tendenzfrage bemächtigt, der ächte Dichter somit hat als solcher eine vogelfreie Existenz; der Dichter, der in harmloser Treue arbeitet, wie z. B. Fontane, hat nicht darauf zu rechnen, daß ihm seine Arbeiten irgend einen nennenswerthen äußeren Ertrag bringen; wenig­stens sind Geibels 30 (wenn auch kleine) Auflagen eine so unerhört seltene Aus­nahme, daß es allzu gefährlich sein möchte, wenn ein Andrer, auch beim besten Talent, auf einen irgendwie ähnlichen Erfolg im Voraus bauen möchte. Unser verehrter König aber ist es, der solche Ungunst der Verhältnisse schon manches Mal ausgeglichen hat. Geibel empfing, schon ziemlich im Beginn seiner Laufbahn, von seiner Gnade (und empfängt noch) ein kleines Gehalt, welches ihn dessen ganze Entwicklung ich durch persönlichen Verkehr auf das Genauste kenne über manche äußere Hemmnisse segensreich hinweggetragen hat. Scherenberg (mir zwar nur mehr äußerlich bekannt) ist ohne Zweifel ebenfalls durch gnädige Theilnahme des Königs in die Stellung gekommen, die es ihm nach vielfachen Kämpfen endlich gestattet, sich der Poesie mit freier Kraft widmen zu können. Ludwig Tieck, dessen jüngst erfolgten Verlust ich nebst so vielen Andern schmerz­lich empfinde, hatte durch die Fülle der Gnade, welche unser König ihm erwie­sen, in all seinen Leiden doch einen heiter beglückten Lebensabend, p. p.

Ich bin nun zu dem Punkte gelangt, auf den dies schon allzu lange Schreiben hinauswollte. Sollte nicht ein Blick Königlicher Gnade auch auf Fontanes dichte­risches Verdienst und auf seine kümmerliche, jetzt sogar seine Gesundheit sehr ernstlich bedrohende äußere Lage zu leiten sein? Sollte der König in seinem hohen Sinne für das Schönste und Edelste sich nicht vielleicht bewogen finden, auch diesen Dichter, dessen stilles Wirken zu Ehre unsrer Zeit und unsres Vater­landes wohl in lauterster Weise beizutragen geeignet ist, in dem gewiß noch so manche schöne Kräfte schlummern, Dasjenige zu geben, das ihn über die drän­gendste Noth des Lebens, oder vielmehr über die Pflicht, an diese seine Kräfte zu vergeuden, hinaushöbe? Sollte nicht vielleicht der Umstand, daß das Tieck'sche Gehalt erledigt ist, eine Gelegenheit bieten, hiervon an Fontane den Theil zu geben, der für ihn zu wünschen, für ihn wie für Wenige ein wahrhafter Segen sein würde?

An Sie, hochzuverehrender Herr, richte ich diese Fragen. Ihnen wage ich es, falls Sie aus dem Vorstehenden und aus den Anlagen für meinen Freund ein Interesse gewonnen haben, die mögliche Lösung an das Herz zu legen. Zu einem unmittel-

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