Heft 
(1989) 48
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ihm amtlicherseits abgefordert wurden, nutzte Kugler seine gesellschaftliche Stel­lung, um Künstlern, deren Leistung er erkannt hatte, zu helfen und damit die Künste auf ein höheres Niveau zu heben. Sein Ziel war deren nationale (vater­ländische) Repräsentanz, die den Vergleich zur Klassik nicht zu scheuen brauchte. Er förderte, wo er Talent, Begabung und menschliche Integrität vermutete: neben dem Namen Fontanes sind die von Emanuel Geibel und Paul Heyse zu nennen. 10 So weit ermittelt, existiert jedoch kein Schreiben, das dem für Fontane gleicht. Dessen spannungsvolle Lebenssituation mußte Kugler in so hohem Grade be­ängstigt haben, daß er sich zu diesem Schritt entschloß.

Zum Zeitpunkt des Gesuchs hatte sich Fontanes gesundheitlicher Zustand ver­schlechtert. Sein Arbeitspensum blieb aber beachtlich. Er erledigte die End­revision der Preußischen (Adler) Zeitung und widmete sich vornehmlich litera­rischer Arbeit. Im Mittelpunkt stand dabei das geplante belletristische Jahrbuch ARGO, für das Beiträge zu sammeln, zu redigieren und selbst zu schreiben waren. Fontane übernahm den wesentlichen Teil der anfallenden Korrespondenz mit den Beiträgen von außerhalb. Veranlaßt durch die Forderung der Verleger nach Novellen im Jahrbuch, versuchte sich Fontane nach dem frühen Scheitern (Geschwisterliebe", 1839) doch auf diesem Gebiet epischer Dichtung. Wie seine sich erneut an sog. vaterländischen Themen orientierende Lyrik, so führte auch die DoppelnovelleTuch und Locke" zur Frontenbildung im Rütli 11 . Da neben Fon­tane auch Franz Kugler als Herausgeber/Redakteur (nach damaligem Verständnis in gleichem Sinne verwendet) der ARGO gewählt war, veränderte sich die Be­ziehung der beiden zueinander. Häufiger Kontakt und regelmäßige briefliche Verbindung sicherten einen intensiven gedanklichen Austausch. Durch die Bei­träge für das Jahrbuch erhielten Fragen der Poesie und Kunst den Vorzug. Dich­tung wurde zum bestimmenden Thema. Von daher erklärt sich die Öffnung Kuglers. Er nahm Anteil an Fontane. Dessen familiäre und berufliche Lebens­verhältnisse griffen in seinen eigenen Alltag ein. Gleichzeitig erhöhte das ge­meinsame Projekt die Bereitschaft, die poetische Unverwechselbarkeit des anderen zu erkennen. Die Verbindlichkeit der Kunstleistungen im kleinen Kreis hatte zugenommen. Aus dieser nachhaltigen Beziehung heraus verfaßte Kugler das Gesuch für den zum Freund werdenden Dichter. Während er daran schrieb, nahm dessen Erkrankung bedrohliche Formen an. Fontane rechnete mit dem Schlimm­sten und bat um Beurlaubung bei der Preußischen Zeitung.

Unser Hauptinteresse beansprucht Kuglers Unterstützungsschreiben vom 4. Juni 1853. Welches Bild vom Dichter entwirft es, um für Fontane zu werben? Auf welche Seite seiner Befähigung legt Kugler größtes Gewicht? Und nicht zuletzt: wie sind Kuglers urteilende Argumente zu werten?

Das Gesuch umfaßt 10 beschriebene Seiten. Es erfüllt die Formalitäten, die Illaire erwarten durfte. Kugler vermeidet jedes Zeichen von Unterwürfigkeit. Seine Sätze prägt Sachlichkeit. Er empfiehlt Fontane, nicht indem er überredet, sondern durch die klare Beschreibung seiner Vorzüge zu überzeugen sucht. Die Darlegung verselbständigt sich nicht; verklausuliertes Amtsdeutsch verstellt den Blick nicht auf das Mitzuteilende jeder Satz liest sich auf seinen Zweck hin. Das im Zentralen Staatsarchiv (Dienststelle Merseburg) befindliche Dokument weist Unterstreichungen auf, die nicht aus Kuglers Feder stammen. Möglicherweise markierte sich Illaire die Aussagen, die ihm für den Vortrag beim preußischen König wichtig erschienen. Franz Kugler bemüht sich in diesem Schreiben, Illaire für seine Sache zu gewinnen. Der Kabinettsrat soll auf diesem Wege über alle Informationen verfügen, die Fontane für eine Unterstützung durch Friedrich

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