Wilhelm IV. würdig erscheinen lassen. Kugler zeigt sich unterrichtet in den denkbaren finanziellen Zuwendungen.
Sein Vorgehen folgt einer genau konzipierten Argumentation. Dabei werden die zusammengetragenen Faktoren nach einem Prinzip geordnet, das Kuglers Grundüberzeugung augenfällig macht: daß Fontane in der Tat ein echter Dichter sei. Blickt man auf das Textganze, werden die Gliederungsmomente erkennbar. Zu Beginn legt Kugler seine eigene Rolle fest. In der Begründung seines Schritts überwiegt das Persönliche. Er führt im weiteren Fontane in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung vor, schildert dessen Versuche, „sich literarischer Thätig- keit zu widmen" und schließt den Einführungsabsatz mit der Aufzählung aus : gewählter literarischer Arbeiten. Der eigentliche Hauptteil des Briefes beschäftigt sich mit der Charakterisierung der Dichtung Fontanes, die Kugler vor- und umsichtig in die gegenwärtige Literatur Preußens einordnet. Den Abschluß des Schreibens bilden allgemeinere Überlegungen zum Verhältnis von Poesie und Leben. Der Mitarbeiter im Kultusministerium nutzt die Gelegenheit, den vorgetragenen Fall mit generellen Problemen der Dichtkunst im staatlichen Förderungsgefüge zu verbinden.
Der Dichtung und Dichter charakterisierende Teil greift auf Gedankengänge zurück, die Fontane selbst entwickelt hatte. Anfang des Jahres 1853 hatte ihn Karl Biedermann gebeten, für die „Deutschen Annalen" eine Übersicht der Literatur seit 1848 anzufertigen. Im Zentrum sollte das Verhältnis von Literatur der Gegenwart zum nationalen Leben stehen 12 . Fontane hatte unter dem Titel „Unsere lyrische und epische Literatur seit 1848" einen Aufsatz geliefert, in dem er — von der bildenden Kunst ausgehend — den „Realismus" als Wesensmerkmal der Dichtung klassifizierte. Der Aufsatz bescheinigt der Gegenwartsliteratur eine Gesundung nach dem Dichtungsverfall der letzten Jahrzehnte, „die, anstatt dem Gedanken Fleisch und Blut zu geben, zehn Jahre und länger" nur eine phrasenhafte Bildersprache hervorgebracht habe, „um die Gedankenblöße zu bergen." 13 Die Ursache der Gesundung liege im Zugriff auf das Wirkliche, der erfolgt sei, in der Wendung zur „Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst." 1 4 Fontane bejaht den Zuwachs an Wissen und Erkenntnis „von den Sachen" 15 , der sich fruchtbar auf die Literatur auswirke. Das eröffne der Dichtung Chancen, die ihr sogar Überlegenheit gegenüber angesehenen früheren Literaten ermögliche — eine Überlegenheit, die ihr durch die gesellschaftliche Gesamtentwicklung gleichsam Zuwachse. Konsequent lehnt Fontane ein Herunterspielen des Standards gegenwärtiger Dichtung ab. Er stimmt nicht in die Kritik Karl Gutzkows ein, der der deutschen Dichtung „auffallende Inhaltslosigkeit" nachsagte 16 . Goethe und Schiller werden (in ihrer frühen Periode) der großen Richtung, in die hinein Fontane die zeitgenössische Literatur markiert, beigesellt: sie dominieren nicht als unerreichbare Klassiker. Eigentliche Parallelität entdeckt Fontane in der Literatur der sechziger und siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts mit ihrem „Frontmachen gegen die Unnatur", der „Shakespeare- Bewunderung" und dem „Aufhorchen auf die Klänge des Volksliedes" 17 . In dem Zusammenhang fällt das Stichwort von den „Herder und Bürger unserer Tage", die sich finden und nennen ließen. Über die Aufnahme in diese Liste, die Fontane erstellt, entscheidet trotz dieser ans Programmatische grenzenden Bemerkungen nicht die Nähe zur eigenen Richtung, sondern die Beantwortung der Hauptfrage: „ob wir's mit einem Dichter zu tun haben oder nicht." 18
„Er ist aber vor Allem ein Dichter" heißt es im Gesuch. Es ist wohl auszuschließen, daß Kugler den Aufsatz nicht kannte. Selbst wenn man sich auf augenfällige
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