Betätigung. Er sei nicht „zur eigentlichen Tagesschriftstellerei" genötigt. Im Brief an Fontane vom 22. Juli 1853 sprach Kugler in Übereinstimmung mit dem Adressaten direkt seine Auffassung aus: „Denn das eben war von vornherein,.... meine Ansicht, das TagesSchriftstellerei — wenn auch vielleicht nicht unter allen Umständen — ertödtend auf den Poeten wirken muß." 28 Die getroffene Einschränkung, auf die Kugler nicht genau einging, zielt offensichtlich auf die zweite Gruppe der Literaten, die Wruck als „seriöse Pressemitarbeiter" (wie Freytag oder Rudolf von Gottschall) klassifiziert hat. Da Fontane dieser Weg aus der Sicht des Jahres 1853 verschlossen bleiben mußte, geriet er unter das Verdikt, das Julian Schmidt vernichtend verhängt hatte — und vor dem ihn Kugler bewahren wollte: „Allen Respect vor der geistigen Arbeit des Gelehrten und des Künstlers, des Staatsmannes und des Philosophen, aber von dieser geistigen Arbeit hat der literarische Handlanger keinen Begriff." Schmidt war so weit gegangen, daß er diese Berufsgruppe sozial unter jede „redliche Beschäftigung" ansiedelte. „Der Geschäftstrieb des Markthelfers, des Aufläders bis in seine tiefsten Schichten herunter hat immer noch wenigstens einen gewissen realen Inhalt, der Geschäftstrieb des sogenannten Literaten dagegen ist darum so unerquicklich, weil er angeblich mit idealen Gegenständen zu thun hat, während er doch in der That an die gemeinsten Interessen verkauft ist." 29
Kugler baut seine Argumente wie Grenzpfähle auf, um der denkbaren Identifikation Fontanes mit dem vorgeprägten Bild keinen Vorschub zu leisten. Dabei bedient er sich selbst ohne Zögern einiger Stilisierungen wie z. B. der von dem schönen, kranken Dichter, der mit lächelnder Resignation vom Vorüberwehen seines „harmlose(n) deutsche(n) Dichterleben" spricht. „Harmlos" gebraucht Kugler dreimal, davon zweimal in einem Absatz. Wie heikel dieser Punkt war, verdeutlicht die Erinnerung an den Ruf, den Fontane haben mußte und der 1852 zur absichtsvollen Verschleppung seiner Angelegenheiten beigetragen hatte. Das Kriterium politischer Verläßlichkeit möchte Kugler aus der Liste der an Fontane angelegten Maßstäbe gestrichen sehen. Vergangenes' wie Gegenwärtiges gerät letzthin in den von derartigen Spannungen befreiten Raum eines harmlosen Dichterlebens. Daß Fontane 1850 in den Pressedienst des Ministeriums Manteuffel eingetreten war, besserte die Sicht auf seine Person unerheblich.
Einher mit der prinzipiellen Trennung von Zeitungsarbeit und Poesie geht die Vermittlung zwischen Poesie und Bürgerlichkeit. Dazu zählt die Erwähnung von Fontanes häuslichem Leben ebenso wie der Arbeitscharakter poetischer Tätigkeit. Durch ihn stabilisiert sich das soziale Existenzrecht des Dichters. Dieser Gedankengang verwandelt sich dann dem Bittsteller unter der Hand zu einem knappen Kunstreferat, das er Illaire hält. In den Mittelpunkt rückt, was das Generelle des konkreten Falles betrifft. Kugler fragt nach der Stellung der Poesie zum Leben — „oder vielmehr des Lebens zur Poesie."
Konzentriert skizziert der Regierungsrat den finanziell ungestützten Zustand der Poesie. Im Gegensatz zu den Bedingungen in den anderen Künsten müsse der „ächte Dichter" (d. h. der, der nicht für Geld schlechthin oder für eine Partei, eine Tendenz", schreibt) eine „vogelfreie Existenz" wagen. Arbeit und Verdienst stehen in krassem Verhältnis zueinander. Kugler nimmt einen Gedanken auf, der ihn seit längerem beschäftigt hatte. Entwickelt hatte er ihn im Rahmen einer noch für das Ministerium Eichhorn angefertigten Untersuchung „Ueber die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung mit besonderem Bezüge auf die Verhältnisse des preußischen Staates". Nicht ohne Hartnäckigkeit hatte Kugler auf die Notwendigkeit staatlicher Kunstförderung insistiert. Sich auf Wilhelm von Humboldts
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