Heft 
(1989) 48
Seite
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ausgeführt. Der Bericht selbst aber, den sie unterstützen, ist so deutlich und bei aller sachgemäßen Vollständigkeit so knapp gehalten, daß auch die rein militä­rischen Abschnitte durchaus klar werden und eindringlich wirken. Das ist eine bedeutende und erfreuliche Leistung, und zwar eine solche, die nicht lediglich der sorgfältigen Arbeit, sondern gutenteils einer persönlichen Begabung, nämlich der poetischen und zugleich deutschen Natur Fontanes entspringt. Dies will sagen, daß man ohne Einbildungskraft überhaupt kein Gefecht anschaulich schildern kann, daß man es aber nur dann wahr schildern wird, wenn man nichtTrouvere", sondernDichter" ist. Fontane erfindet nicht, sondern er verdichtet; er versteht es, ein Gegebenes, doch auf weiten Raum Verstreutes unter einheitlichen künstle­rischen Gesichtspunkten zusammenzufassen, es rhythmisch zu gliedern und in die richtige Beleuchtung zu rücken, so daß alles Wesentliche scharf hervortritt und Charakter wie innerer Zusammenhang erkennbar werden. Und wenn diese schöne Gabe des Epikers den Verfasser bei Schlacht- und Gefechtsschilderungen unter­stützt, so verherrlicht er einzelne historische Höhepunkte durch den Schwung und die Innigkeit seiner Lyrik.

Rein sachlich genommen ist das Werk Fontanes nicht in allen seinen Teilen von ganz gleichem Werte. Das ist begreiflich; denn der erste der vier starken Halb­bände ist schon 1873, der letzte um die Jahreswende 1876/77 herausgegeben worden. Die Quellen fließen für die verschiedenen Perioden des Krieges überhaupt nicht gleich reichlich und sie waren zu Anfang trüber wie jetzt. Mag sich aber auch im Einzelnen der kritischen Forschung dies und jenes anders ergeben, als es hier dargestellt ist, mag da und dort ein Mißverständnis, ein Irrtum unter­laufen, mag nicht Alles zutreffen, was der Autor über die Gründe einzelner Maß­nahmen, über den ursächlichen Zusammenhang gewisser Ereignisse mutmaßt wesentlich sind diese unvermeidlichen Mängel nicht; wesentlich ist dagegen der Geist, aus dem heraus das Buch geschrieben ist: der Geist der Vaterlandsliebe und der Gerechtigkeit, der Wahrhaftigkeit und der Billigkeit; wesentlich sind das auf­richtige Studium, die einsichtsvolle Anordnung und die edle Kunstgestalt des Ganzen. Die Vereinigung dieser sittlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Vorzüge erhebt Fontanes umfassendes Werk zu einem Volksbuche im besten und würdigsten Sinne des Wortes, und sie sind es, die ihm Dauer sichern werden.

M[ax] Jähns.

(Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 11. Band, Nr. 24, 16. Juni 1877, S. 384f.)

Abkürzungen:

BJK Biblioteka Jagiellonska, Krakow (Krakau), VR Polen

DSB Deutsche Staatsbibliothek, Berlin/DDR

FAP Theodor Fontane-Archiv der Deutschen Staatsbibliothek, Potsdam, DDR

FAP/UB Dauerleihgabe der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Ber­lin/DDR, im Theodor-Fontane-Archiv, Potsdam H Autorhandschrift

h maschinenschriftliche Abschrift

HSA Handschriftenabteilung

T Textgrundlage