Heft 
(1989) 48
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so zur Tragödie einer entfremdeten ehelichen Beziehung, die im gemeinsamen Mord als gewissermaßen eigentlicher Hochzeit ihren verbrecherischen Höhepunkt und Abschluß findet und ausklingt im Wahnsinn des zurückgebliebenen Hrad- scheck. Nach Aussagen des Autors Pühringer sollte die Dramenfassung nicht (wie bei Fontane) eine zumindest unterschwellig mit der metaphysischen Kontrolle menschlicher Ränke drohende volkstümliche Spruchweisheit illustrieren (Es ist nichts so fein gesponnen, s'kommt doch alles an die Sonnen."), sondern das gänzlich weltimmanente Problem der Lebenslüge und deren notwendige Folgen thematisieren.,Abel Hradscheck und sein Weib' zeigt, wie erborgter Status, Aufrechterhaltung einer Lebenslüge, des Verbrechens bedarf und worum es dem Stück nach dem riesenhaften Analogon, das uns beschert war, vor allem geht: wie Verbrechen, einen Schritt weiter, sein Pathos entdeckt." 5 Von der Informationsvergabe her scheint bemerkenswert, daß Fontane den Leser über den eigentlichen Tathergang vorerst noch im unklaren läßt (vgl. Fontane Kap. 7), während hingegen Pühringer die Verkleidung Ursulas und deren Abreise als Spiel im Spiel vorführt 1 ' die erzeugte Spannung richtet sich beiAbel Hradscheck und sein Weib" somit eher auf die Ermittlungen gegen Hradscheck bzw. auf die Lösung des Falles als auf den tatsächlichen Vollzug des Ver­brechens.

FIGURENCHARAKTERISTIK, FIGURENKONZEPTION: Pühringer hat das Figu­renensemble auf alle am Handlungsverlauf unmittelbar Beteiligten beschränkt: Neben Abel Hradscheck, seiner Frau Ursula, dem Reisenden Szulski und der alten Jeschke treten noch Woytasch, Quaas und Kunicke, die Bediensteten Male und Jakob, weiter Pastor Eccelius, Justizrat Vowinkel, Gendarm Gelbhaar (!) sowie Bauern, Musikanten usw." auf (P 12). Ein Vergleich der dramatischen mit Fon­tanes epischer Hradscheck-Figur erweist Pühringers Tendenz, alles Wankelmütige, Zwielichtige und Abergläubische im Charakterbild Abels zu tilgen, desgleichen Fontanes Soziographie individualpsychologisch umzudeuten und damit auch die Aufdeckung des Verbrechens allein dem Entschluß Hradschecks zu überantworten. Hradschecks vormalige Geliebte aus Neu-Lewin, die unter ungeklärten, den fidelen Wirt offenbar belastenden Umständen zu Tode gekommen ist, findet ebensowenig Erwähnung wie seine dem Leser Fontanes vertraute neue Berliner Heirats­kandidatin Editha, desgleichen Line, die Nichte der alten Jeschke, oder die dünkel­hafte kokette Frau Quaas. Während die Abwesenheit von Konkurrentinnen und Neiderinnen die textuelle wie auch, bezogen auf Hradschecks Gefühlsleben, emo­tionale Dominanz Ursulas zur Folge hat, streicht Pühringer. mit dem beschränkten und verängstigten Ladenjungen Ede gerade jene Figur, die Hradscheck mit ihrem Gespensterglauben infiziert und damit die Aufdeckung des Verbrechens voran­treibt. Im Gegensatz zu Fontane, der textintern Enstehung und Verbreitung der Dorfgerüchte mehreren Figuren zuordnet die redseligen Ehefrauen der Stamm­gäste Hradschecks sind daran beteiligt, ebenso die Spottverse des seinerseits übelbeleumdeten Kantorssohns und nicht zuletzt die alte Jeschke, läßt Pühringer nur das Hausmädchen Male ihren Verdacht Vorbringen; ihre Aussage allerdings fällt auf sie selber zurück, denn sie beteuert, der Wirt habe Szulskiden Kopf abgeschnitten" und den Körperaufgegessen" (P 70). Aus der quantitativen Reduk­tion der Figuren resuliert so eine simplifizierende Konkretisierung sowohl des ehelichen Konflikts als auch des kriminalistischen Geschehensnexus.

Ähnliches gilt für Figurencharakteristik und dazugehörige Figurenkonzeption. Mit der Eliminierung von Ursels Zwiespalt zwischen evangelischem Bekenntnis und katholischem Glauben hat Pühringer die Säkularisierung des Stoffes konse-

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