Heft 
(1989) 48
Seite
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Seit der Linzer Inszenierung ist Pühringers Stück, wenn man von einem Gastspiel des Landestheaters in Steyr (Oberösterreich) am 19. 3.1956 absieht, nicht mehr aufgeführt worden.

DOKUMENTE

Der Autor über sein Drama

I

Der Schrei der Zeit geht nach dem .positiven' Stück. Es soll hier nicht belächelt werden, wie wenig Vorstellung davon, was denn nun eigentlich und in Wahrheit positiv und was negativ sei, diesem Ruf Pate steht, so sehr ist er an sich berech­tigt und ein echtes Zeichen eines Genesungsbedürfnisses. So sollen denn diese Zeilen über das Schauspiel ,Abel Hradscheck und sein Weib' über alle Einführung in das Werk hinaus eine Definition dieser Begriffe zu geben versuchen, die all­gemein als plausibel empfunden zu werden vermag. Also denn: So wenig ,gut' oder 'schlecht' hinsichtlich der künstlerischen Qualität je eine Frage des Stoffes, des Vorwurfes, sein kann, was längst jedermann selbstverständlich ist, so wenig stellt ein .guter' oder .schlechter' Ausgang einer Handlung eine Handhabe für die Bestimmung dar, ob das Stück als Ganzes nun also als positives oder negatives anzusprechen ist. Eine Einsicht, die aber, wie gesagt, leider noch nicht in dem Maße wie die erstere gesicherter Allgemeinbesitz ist. Und doch, wie einfach und gar nicht anders möglich! Ein Stück, das den Zuschauer durch die vermittelte Schlußerkenntnis aufrichtet, ihm Mut und Zuversicht gibt, ist unabhängig vom Ausgange der Handlung für die handelnden Personen, ein positives. Was aber ist über jede rein persönliche Tragik und alles individuelle Glück hinaus doch immer und zu allererst das eigentliche große Trostreiche an der Welt? Daß es hinter allem ein, durch nichts zu erschütterndes, sich immer wieder neu triumphierend manifestierendes Gesetz gibt!

So beschränkt sich denn auch das Schauspiel ,Abel Hradscheck und sein Weib' nicht bloß darauf, zwei, sich auf besonders grause Weise in das Verbrechen verstrickende Mitgeschöpfe vorzuführen, sondern es stellt sich die Aufgabe, an Hand dieses Ablaufes die großartig unerbittliche Folgerichtigkeit aufzuzeigen, die innerhalb unserer sittlichen Welt, unbeirrt von allen Wechselfällen des Kräftespieles, waltet.

Abel Hradscheck ist von Haus aus weder ein Held noch ein ausgesprochener Missetäter. Er ist ein Unzulänglicher, der das nicht wahr haben will und unter­scheidet sich so, wenigstens in diesen seinen ursprünglichen Anlagen, gewiß nicht allzu sehr von uns selbst. Seine Fähigkeiten, voran seine moralischen, reichen nur zu einer Utopie einer besseren Welt. Und als ihm das Leben endlich, nach so lange bewiesener Nachsicht aller Taxen eines Tages den fälligen Wechsel präsen­tiert und er nun entweder seine bisherige Scheinwelt durch eine echte Tat zur Wirklichkeit werden lassen, oder sich anders in die Wirklichkeit einer minderen Welt zurückziehen müßte, da nimmt er, als vermeinter dritter Möglichkeit sich zu behaupten, in seiner Not und Ratlosigkeit zum Verbrechen Zuflucht. Und alsbald sieht er sich in die gnadenlose Realität eines Bereiches geworfen, die ungleich schlimmer ist, als es die jener Sphäre gewesen wäre, auf die freiwillig zurückgewichen, er seinen, ihm von Anbeginn an zukommenden Platz und dessen Frieden gefunden habe würde. [...]"

(Franz Pühringer:) Abel Hradscheck und sein Weib. Der Autor über sein Stück und sich selbst. In: Die Rampe. Blätter des Deutschen Schauspielhauses Hamburg (1954/55), H. 1, S. 18f.

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