Heft 
(1989) 48
Seite
66
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II

Was kann einen Dichter veranlassen, sich anstatt eines eigenen Sujets das eines anderen Autoren [!] zum Gegenstände seiner Arbeit zu erwählen? Ganz gewiß nicht wie so mancher Laie meinen mag Mangel an einem eigenen Stoff. Denn selbstredend muß ihm, ehe eine weitere Gestaltung daran möglich ist, auch dieser Stoff aus zweiter Hand zu einem echten eigenen Anliegen geworden sein. Das aber wird dieser keinesfalls durch bloße Annektion.

In der Regel ist es der große Reiz, der darin liegt, eine Handlung aus einer Dichtungsart in eine andere zu transponieren, der auch die Arbeit des Nachautors noch einmal zu einer schöpferischen werden läßt. So liegen die Dinge auch im Falle der Novelle .Unterm Birnbaum' von Theodor Fontane, die mich erst jahrelang nur als Leser fesselte, bis ich eines Tages plötzlich der Versuchung nicht mehr widerstehen konnte, ihren Stoff aus ihrer ursprünglichen, der epischen Dichtungs­art in ein Werk der dramatischen umzudenken, ein Vorgang, der angesichts der Gegensätzlichkeit jener beiden Welten erst nach Gewinnung einer völlig neuen Sicht möglich wurde.

Diese neue Sicht bewirkt die Verschiebung des Schwergewichtes von der Kriminal­handlung auf die besondere und ungewöhnliche Beziehung der beiden Helden zueinander. Diese, in der Novelle kaum als Möglichkeit angedeutet, wird hier das eigentliche und beherrschende Problem. ,Abel Hradscheck und sein Weib' wurde so zu einer Charaktertragödie, die bewußt die Rückkehr zu einem Punkte wagt, an dem es noch möglich ist, neu an die jahrtausendealte Tradition ihrer Gattung anzuknüpfen."

Franz Pühringer: Abel Hradscheck und sein Weib. Stoff und Stück. In: Blätter des Landestheaters Linz (1955/56), Nr 2, S. 9f., 14.

Zur Biographie Franz Pühringers 10 (in Auswahl)

Der Schriftsteller Franz Pühringer wurde 1906 in der Steiermark als Sohn einer Lehrerfamilie geboren.

Nach dem Besuch der Höheren Technischen Gewerbeschule für Maschinenbau in Linz, die er ohne Abschluß verläßt, arbeitet er ab 1930 an verschiedenen kultur­politischen Periodika mit, u. a. amSimplizissimus" (München),Querschnitt" (München), an derWeltbühne" (Berlin) und veröffentlicht vor allem Gedichte. Nach einem Auslandsaufenthalt 1930/31 in Paris gründet er dieThermophylen", eines der ersten literarischen Kabaretts in Österreich, und eröffnete 1934 die Ersten Linzer Künstler-Puppenspiele", die er mit kurzen Unterbrechungen bis 1972 leitet. Pühringer ist vor allem als österreichischer Dramatiker hervorgetreten, so u. a.

Fanal um 1912. Schauspiel in 12 Bildern (UA 1954)

Flageolett. Lustspiel in 3 Akten (UA 1958)

Christian Dietrich Grabbes LustspielScherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeu­tung." Ein deutscher Sommernachtstraum (UA 1950)

Der König von Torelore. Schauspiel in 3 Aufzügen (10 Bildern) (UA 1951) Aber auch als österreichischer Lyriker hat er sich einen Namen gemacht. Gedicht­sammlungen erscheinen 1932 (träum tropenflug"); 1947 (Die Wiesenfestung"); 1949 (Das Paradies"); 1963 (Letzter Duft der Gartenfrühe"); 1964 (An den Quellen der Nebenflüsse") und schließlich 1967 mit demKompendium für Freunde. Gedichte aus fünf Jahrzehnten". Der Autor verstarb am 30. August 1977.