70 Jahr alt: humoristisch, milde, versöhnend, suaviter in modo." (Storch von Adebar, 41) Welche der Epitheta sich auf Julius Müllensiefen (1811—1893) und welche sich auf seinen Amtskollegen Karl Büchsel beziehen, ist eine nicht unbedeutende Frage. Angesichts der Tatsache, daß Fontane Pfarrer Müllensiefen als friedfertigen Geist und rechten Seelsorger schätzte, kämen die drei letzten Attribute für ihn in Betracht, während die Charakteristik „humoristisch" Büchsel beigelegt würde. Wir können uns tatsächlich fragen, ob Büchsel „suaviter in modo" war. „Fortiter in re" war er auf jeden Fall. Darin gab er seinem Kollegen Müllensiefen nichts nach. Lassen wir diese Frage vorläufig offen.
Das zweite Mal findet der Name Büchsel bei Fontane Erwähnung in Irrungen, Wirrungen. Frau Dörr unterhält sich im ersten Kapitel des Romans mit Frau Nimptsch und bringt das Gespräch auf ihren beliebten Erzählgegenstand, ihren Mann: „.Und weil ich mir nie was in'n Kopp setzte, darum ging es immer ganz glatt und gut und ich habe nu Dörren. Na, viel is es nich, aber es is doch was Anständiges, und man kann sich überall sehen lassen. Und drum bin ich auch in die Kirche mit ihm gefahren und nich bloß Standesamt. Bei Standesamt reden sie immer noch.' Die Nimptsch nickte.
Frau Dörr aber wiederholte: ,Ja, in die Kirche, in die Matthäikirche un bei Büchseln.'" (Irrungen, Wirrungen: 9) Es entzieht sich meiner Wahrnehmung, ob Büchsel dieses kleine literarische Echo seines amtlichen Wirkens zu Ohren gekommen ist. Gefreut hätte er sich bestimmt.
Auch in Stine kommt Karl Büchsel vor. Die mit Frau Dörr eng verwandte Witwe Pauline Pittelkow erzählt ihrem Grafen von Haldern, welche Zukunft sie sich für ihre Schwester Stine wünscht: .„Hier drüben wohnt ein Schlosser, ein Kunstschlosser, und hat 'nen Neffen, einen allerliebsten Menschen, der bei den .Maikäfern' gestanden — aber jetzt is er wieder ins Geschäft. Nu, der war letzten Sommer immer um die Stine rum, un wenn der das Mächen nimmt, dann geh ich nächsten Sonntag in 'n Dom oder zu Büchseln und weine mir aus und danke dem lieben Gott für seine große Guttat un Gnade, was ich nu schon eine gute Weile nich gedan habe.'" (Stine: 246)
Die Erwähnung Büchsels in der erzählerischen Prosa ist ein Indiz dafür, wie vertraut der Name Büchsels in den siebziger und achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gewesen sein muß, für die Romanfiguren und für die zeitgenössischen Leser. In Fontanes erzählerischem Werk ist Büchsel aber nur ein Beitrag zum Berliner Lokalkolorit. Ganz anders verhält sich die Sache in der autobiographischen Schrift Von Zwanzig bis’ Dreißig und in Fontanes Briefen. In Von Zwanzig bis Dreißig wird das Mitglied des literarischen Vereins Der Tunnel über der Spree Schulrat Methfessel als „Matthäikirchgänger" und „Büch- selmann" angedeutet. (Von Zwanzig bis Dreißig: 240) Es ist fragwürdig, ob diese Bezeichnung als positive oder negative Wertung zu sehen ist. Ein ähnlich kleiner Hinweis auf Büchsel ist die Erwähnung des Büchselschen Pfarrhauses in Christian Friedrich Scherenberg und das literarische Berlin von 1840 bis 1860 (78). In Von Zwanzig bis Dreißig erzählt Fontane über seine Erfahrungen im Diakonissenhaus Bethanien. Über den dort tätigen Pastor Schultz heißt es: „Er gehörte ganz in die Reihe der unter Friedrich Wilhelm IV. einflußreichen und oft maßgebenden Persönlichkeiten, und was von den Gerlachs, von Hengstenberg und zum Teil auch wohl von Büchsel — der freilich, im Gegensatz zu den andren, sich durch seinen Humor immer einer gewissen Volkstümlichkeit erfreute — galt, das galt auch von dem bethanischen Pastor Schultz. Er war herb und hart [...]" (Von
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