Mal erlaubt sich Thackeray hier einen Seitenhieb auf Königin Annes großen Feldherrn und den Sänger seiner Taten, Addison: In Henry Esmond wird seine Abneigung gegenüber Marlborough zu einem Thema seiner Auseinandersetzung mit der Geschichte (HE, II, 11 et passim). Der „hoary old tempter"* Wood wird sogar mit dem Teufel in Verbindung gebracht, 19 und auf wahrhaft teuflische Weise benutzt er Toms und Catherines heimliche Wünsche und Ängste, um sie zu dem Mord an Hayes anzustacheln, auf dessen Reichtum er es selbst abgesehen hat (C, 158—161). Thackerays Darstellung der Mordtat in Kapitel 14 spielt im Vergleich mit der im Newgate Calendar Catherines Rolle herunter und läßt Wood und Billings als Initiatoren erscheinen. Wood inszeniert ein Trinkgelage und verständigt sich mit Billings, daß Hayes betrunken gemacht werden soll (C, 167—8), während Catherine Skrupel zeigt und ihren Mann in Sicherheit zu bringen ver- versucht: „Go to bed, and lock your door, and sleep, Mr. Hayes" (C, 169). Dem Newgate Calendar zufolge stößt Wood erst auf Geheiß von Hayes zu der beim Trinken versammelten Familie, beschafft mit Catherine und ihrem Sohn Nachschub, bei welcher Gelegenheit der Mord beschlossen wird (NC, 32) und tritt dann auf Catherines ausdrückliche Aufforderung in Aktion (NC, 33). Bei Thackeray bringen Wood und Billings den betrunkenen Hayes ins Bett (man beachte Woods Signal an Tom „That'll do") und führen dann die Tat aus (C, 170).
Aus der Biographie der Gattenmörderin Catherine Hayes im Newgate Calendar wird bei Thackeray die Lebensbeschreibung eines eitlen, leicht verführbaren Geschöpfes, das, von seiner Herkunft her schon benachteiligt, in kriminelle Gesellschaft gerät und dadurch selbst zu einem Verbrechen getrieben wird. Catherine ist entgegen Thackerays eigener These durchaus keine geborene Schurkin, sondern nach seiner Darstellung das Opfer ihrer Umwelt und bestimmter Charaktereigenschaften, von denen besonders ihre leidenschaftliche Heftigkeit zu ihrem Unglück beiträgt. 20 Diese Eigenschaft teilt sie mit Grete Minde. Auch Fontane läßt nämlich seinem Quellenmaterial eine Behandlung zukommen, die besonders den Charakter der Heldin weitaus komplexer und ihre Schuld weniger eindeutig erscheinen läßt, da auch hier eine Kombination von Umwelteinflüssen und Veranlagung für den Ausgang verantwortlich ist. 21 Fontanes Titelfigur ist nicht nur wie Thackerays keine geborene Verbrecherin, sondern außerdem eine sensible Patriziertochter aus gutem Hause, die mit einem Jugendfreund von gleichem Stande flieht, nicht mit einem Landstreicher wie die historische Grete Minde. Dieser Unterschied wird noch dadurch betont, daß Valtin sie vor seinem Tode dazu drängt, die fahrenden Leute zu verlassen und zu den Ihren zurückzukehren (GM, 77): ein Wunsch, der letztlich das Unglück herbeiführt. Wie Thackeray erfindet Fontane eine Vorgeschichte zu der Tat seiner Heldin — die Quellen gehen auf das Vorleben der Brandstifterin kaum ein —, da sein Interesse vor allem in der Motivation ihrer Tat liegt. In seiner Darstellung ihrer Jugend kommt er immer wieder darauf zurück, daß sie, obwohl besonders liebebedürftig, ohne die Geborgenheit eines ihr Heimat bietenden Familienlebens auskommen muß.
Beide, Valtin und Grete, wachsen ohne Mutter auf, aber Grete hat weitaus mehr noch unter der Lieblosigkeit ihrer Verwandten zu leiden und wird von ihnen ausgenutzt (GM, 23, 28, 39, 42, 46). Ihre „leidenschaftliche Natur' (GM, 36) neigt zu extremen Reaktionen im positiven wie im negativen Sinne, was selbst Valtin zeitweise erschreckt (GM, 46, 57 f.) und ihren Auseinandersetzungen mit Trud besondere Schärfe verleiht (GM, 35 f., 59 f.). Einerseits bewegt die Liebe zu Valtin
* (der} ehrwürdige alte Verführer
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