Heft 
(2022) 113
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Fontane und Gabriele Tergit  Sill 107 te« 27 ; eine Arbeit mit dem»Plätteisen«, das sie»mit einem geschickten Ruck« 28 erneut auf Betriebstemperatur zu bringen weiß. Anders und doch sehr ähnlich im Fall von Käte Winkel. Zu ihren Kun­dinnen zählt unter anderem die Familie Goldschmidt. Kätes Arbeitsplatz aber befindet sich in einer Schneiderei, in der zahlreiche»Mädchen« unter großem Druck arbeiten:»Von oben rief die Koller: ›Machen Se maln biß­chen fix, Fräulein Wolgast! Sollen die Rüschen denn nie fertig werden? Und Fräulein Winkel, was ist denn? Kommen Sie rauf! Lassen die Samtjacke für Frau Goldschmidt halb fertig liegen. Dalli, dalli!« 29 Schauplatz ist eine in ein Atelier umfunktionierte Wohnung:»Die Wohnung war erfüllt vom Duft der Kohlenplätteisen, überall standen Tische, an denen die Mädchen näh­ten. Zu Bergen türmten sich Tüll und schwere Damaste und Brokate, chan­gierender Taft und Spitzen, und überall wurde gestickt und appliziert.« 30 Über den Namen des Textilfabrikanten erfahren wir bei Tergit nichts; ihn vertritt»die Koller« als Vorarbeiterin mit ihrem strengen Regiment. Seite an Seite mit Käte Winkel arbeitet ihre Kollegin und Freundin Lischen Wol­gast. Sie teilen einander ihre Sorgen und Nöte mit, wenn es denn die Arbeit erlaubt. Und Lischen Wolgast ist auch die erste, die von Kätes Befürchtung erfährt, dass es aus sei zwischen ihr und Karl Effinger. Unbeschriebene Blätter sind sie beide nicht, Käte Winkel und Lene Nimptsch. Bei Fontane ist es Frau Dörr überlassen, auf Lenes Vergangenheit vor Botho anzuspielen.»Jott, ein Engel is sie woll grade auch nich« 31 , be­merkt sie gleich im ersten Kapitel zur alten Frau Nimptsch. Und weil sie es mit ihrer eigenen Vorgeschichte nicht lassen kann, auf derartige Verhältnis­se anzuspielen, wird sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal genauer. Mittlerweile ist Gideon Franke als Bewerber auf der Bildfläche erschienen: »[...] all die alten Geschichten, erst die mit Kuhlwein(un is doch nu schon so lang, als wärs eigentlich gar nich gewesen) und denn die mit dem Baron.« 32 Um Liebe, so schließlich Lene selbst, soll es sich bei Kuhlwein allerdings nicht gehandelt haben:»Und als er[Gideon Franke] fragte was, erzählt ich ihm, ich hätte zweimal ein Verhältniß gehabt: erst... na, Du weißt ja, Mutter ... und den ersten hätt ich ganz gern gehabt und den andern hätt ich sehr geliebt und mein Herz hinge noch an ihm.« 33 Bei Kuhlwein, dies legt zumin­dest Helmuth Nürnberger in seinen Anmerkungen nahe, könnte es sich um einen Leutnant oder Offizier gehandelt haben. Denn die»zeitgenössischen Ranglisten der preußischen Armee verzeichnen mehrere Offiziere dieses Namens, die teils bürgerlicher Herkunft, teils geadelt waren« 34 . Doch so oder so, in den Effingers ist es Lischen Wolgast überlassen, Käte an ihre Vergangenheit, in der auch ein Leutnant eine Rolle spielte, zu erinnern: Na weißte, mir mußte das erzählen, wo wir zusammen zur Schule ge­gangen sind. Kurt haste wohl vergessen[...] und den feinen Herrn Leut­nant haste wohl auch vergessen, der einfach eines Tages nicht mehr zum