Heft 
(2022) 113
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108 Fontane Blätter 113 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Rendezvous gekommen ist, und als wir uns bei seiner Wirtin erkundigt haben, war er versetzt! 35 Käte ähnelt Lene schon sehr,»jung, blond« auch sie, allerdings»mit der Stupsnase eines Mädchens vom Berliner Osten« 36 . Und wie Lene weiß auch Käte nur Gutes über ihren jetzigen Geliebten zu berichten:»Der war so gut mit mir, so war noch keiner.« 37 Daher steht für Käte Winkel fest, was auch für Botho und Lene gegolten hat:»Ich habe ihn doch so geliebt und er mich doch auch.« 38 Angesichts dieser Parallelen übersieht man leicht die Unter­schiede, die beiläufig eingeflochten sehr wohl von Bedeutung sind. Wäh­rend es Baron Botho von Rienäcker konsequent vermieden hat, Lene in die Sphären seines Standes einzuführen, bedurfte es im Falle des bürgerlichen Karl Effinger solcher Vorsichtsmaßnahmen nicht.»Der war so gut mit mir, so war noch keiner«, klagt Käte ihrer Freundin, um dann noch hinzuzufü­gen:»Nie versetzt und überall hin mitgenommen.« 39 Das hätte Lene Nimptsch nicht behaupten können. Bei Fontane wie bei Tergit wird die Trennung eingeleitet mit einem kur­zen Brief, dem dann ein letztes Rendezvous folgt. Weit wichtiger aber ist der Sachverhalt, dass es in beiden Romanen einige Zeit nach der Trennung zu einer zufälligen Begegnung auf der Straße kommt, die die verlassenen Frauen, Lene wie Käte, in eine vorübergehende Krise stürzt. Lene befindet sich auf dem Weg zu Goldstein:»Aber mit einem Male hielt sie und wußte nicht wohin, denn auf ganz kurze Entfernung erkannte sie Botho, der, mit einer jungen, schönen Dame am Arm, grad auf sie zukam. Die junge Dame sprach lebhaft und anscheinend lauter heitre Dinge, denn Botho lachte be­ständig.« 40 Nach dieser Begegnung ist Lene»einer Ohnmacht nah« 41 . Kaum anders Käte Winkel. Lene befand sich auf dem Weg zu Goldstein wegen ei­nes Auftrags(für die Waldecksche Prinzessin); Käte befindet sich auftrags­gemäß auf dem Weg zu Eugenie Goldschmidt für eine Anprobe. Ihr erzählt die bestürzte Käte:»Und nun habe ich ihn getroffen. Und sie ist so schön, es ist gar nicht zu beschreiben, wie schön sie ist[...]. Und wie sie vorbeigingen, hörte ich gerade, wie er sagte: ›Annettchen, was sind wir für glückliche Menschen, die ganze Natur lacht uns entgegen.« 42 Vom jeweils glücklich scheinenden Paar bleiben die beiden verlassenen Frauen völlig unbemerkt, zunächst allein mit ihrem Schrecken und ihrem Schmerz. Endlich wieder daheim, ist Lene Nimptsch völlig verändert:»Lene, Kind, was hast Du? Lene, wie siehst Du nur aus?« 43 Nicht anders Käte, nachdem sie bei den Goldschmidts eingetroffen ist:»Fräulein Winkel, Sie sehen ja so elend aus! Was ist denn?« 44 Eng verwoben, wie beide Texte in dieser Geschichte sind, fällt das jewei­lige Ende doch überraschend unterschiedlich aus. Zwar stellt sich auch bei Käte Winkel schon bald ein neuer Interessent ein,»Lehmann, der führt die Bücher, der läuft mir nach und glubscht immer so« 45 , aber ob daraus etwas wird, bleibt im Dunkeln. Lene Nimptsch rettet sich nach dem Tod ihrer