Heft 
(2022) 113
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Der Geldverleiher  Möller 159 stetig fortschreitendes Erzählen zu sagen wäre(wovon Zumbusch sich al­lerdings distanziert hatte)? Wenn die Vorgeschichte in einem Werk, das»vor der Moderne« steht, zurücktritt, dann heißt das wohl nicht, dass sie im 20. Jahrhundert und da­nach ausgespielt hätte. Im Gegenteil: Die Zeit der Erzählungen im geboge­nen Raum und unter gekrümmter Zeit beginnt erst recht. Schon vor dem Stechlin erscheint H. G. Wells Zeitreisenbericht The Time Machine . An In­vention(1895). Eine Erzählung, die das kausale und temporale Nacheinan­der beeinträchtigt, bietet Leo Perutz in Die Dritte Kugel(1915), und zwar ohne phantastischen Einschlag; und Rolf Niederhauser wird ›greifbar‹ in Seltsame[r] Schleife(2014) erzählen. Zumbusch selbst wies zu Beginn ihrer Arbeit auf die gegenwärtige Mode der Prequels hin. Wäre sie zu anderen Ergebnissen gekommen, wenn sie statt mit Goethe eher mit Coopers Lederstrumpf -›Epos‹ begonnen hätte, in denen der Held im ersten Band schon siebzig Jahre alt ist, im dritten neunzigjährig stirbt, im vierten sich als Mann von fast»funfzig Jahren« zum ersten Mal verliebt und im letzten Band endlich bei seiner Jugend ankommt? Und nochmals mit Blick auf Wells: Wie steht die»Niegeschichte«(Dietmar Dath 2019) zu dem,»was kei­ne Geschichte ist«? Die besondere Leistung der Arbeit von Cornelia Zumbusch liegt in der Kombination narrativer, archäologischer und medialer Ansätze. Sie öffnet die Augen für eine vermeintliche Nebensächlichkeit, von der aber viel, wenn nicht das Ganze abhängt. Sie gibt Impulse für beliebige Lektüren auf dem unermesslichen Feld des Erzählens und seinen Gängen in die Vergan­genheit dicht am Geländer der Vorgeschichtsforschung. Zumbusch will viel, sie möchte einen fast systematischen Überblick über gattungsge­schichtliche, thematische und epistemologische Möglichkeiten im Umgang mit Vorgeschichten geben, sie will aber auch besondere Einsichten in kano­nische Literaturtitel des 19. Jahrhunderts vorstellen Homer und Heliodor nicht zu vergessen. Mögen Einzelheiten strittig bleiben, unbestreitbar kann als Vorzug gelten, eine weit reichende Perspektive geboten zu haben. Hugo Aust Catherine Gore : Der Geldverleiher. Ein viktorianischer Roman. Übersetzt von Theodor Fontane . Ediert und mit einer Einleitung versehen von Iwan-Michelangelo DAprile . Berlin : Aufbau Verlag 2021(Die Andere Bibliothek , Bd. 441). 468 S. 44 Für die interessanteste Neuerscheinung des Jahres 2021 wenigstens in der Fontane-Forschung, zweifellos aber auch über diesen Zirkel hinaus von In­teresse hat Fontane selbst gesorgt. 180 Jahre nach ihrem Entstehen wurde seine Übersetzung von Catherine Gores Roman The Money-Lender in der