Neues zu Grete Minde Schwarz 163 auf die Herkunft – war im 16. Jahrhundert für einige Zeit Landeshauptmann der Altmark , gehörte zu den angesehensten Bürgern Tangermündes. Dessen Sohn Heinrich hatte zwei Söhne: Heinrich d. J. und Peter. Ersterer wurde Ratsmitglied und ein Bürgermeister der Stadt. Peter musste Tanger münde verlassen, nachdem er einen Gastwirt erschlagen hatte. Im Jahr 1593 erschien eine Frau in der Stadt, die erklärte, sie sei die Witwe Peters und das kleine Kind, das sie bei sich hatte, wäre Hans von Minde(n)s Urenkelin Margarete. Obwohl die Frau über ihre Ehe mit Peter Minde keine Urkunde vorweisen konnte, muss Hans von Minde(n) ihr wohl geglaubt haben, denn er hinterlegte einen höheren Geldbetrag für das Kind beim Rat. Außerdem wurde an keiner Stelle angezweifelt, dass Margarete den Familiennamen Minde oder Minden tragen durfte. Einen letzten größeren Abschnitt in diesem T eil widmet Friederike Wein der von Theodor Fontane geschaffenen literarischen Figur Grete Minde . Der besondere Wert dieses Kapitels liegt in der Zusammenschau von Entstehungsgeschichte, Rezeption und Gestaltung der Erzählung. Fontane nannte sein Werk Novelle, worunter er»jede Art poetischer Erzählung« verstand, deren»Stoff der Sage, der Chronik oder dem eigenen Erleben« entnommen werden kann(vgl. S. 659). Die Autorin sieht Fontanes Novelle als»eine Antwort auf die Kritik an seinem Prosa-Erstling« Vor dem Sturm, an dem Rezensenten zu viele retardierende Momente bemängelt hatten. Die Novelle Grete Minde sollte erweisen, dass der Autor,»wenn es der Stoff mit sich bringt, eine ›psychologische Aufgabe‹ lösen und ohne Retardierung erzählen kann« (S. 661). Vermutlich konsultierte Fontane im Rahmen seiner Quellenstudien zwei von dem Prediger August Wilhelm Pohlmann(1767–1854) bearbeitete Werke: die Geschichte der Stadt Salzwedel(1811) und die Geschichte der Stadt Tangermünde(1829). Sehr wahrscheinlich las er die Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg(2 Bde., 1751/1753) von Johann Christoph Bekmann (1641–1717) und Bernhard Ludwig Bekmann (1694– 1760), ebenso die von Georg Gottfried Küster (1695–1776) zusammengestellten Antiquitates Tangermundenses(1729). Nach einigen Vorüberlegungen entschied sich Fontane für Tangermünde als wichtigsten Schauplatz der Handlung, die mit dem Stadtbrand 1617 endet. Um seiner ansonsten fiktiven Darstellung den nötigen atmosphärischen Hintergrund verleihen zu können, besuchte er mehrmals die Stadt. Die Prozessakten nahm er aber nicht zur Kenntnis, obwohl sie ihm wahrscheinlich zugänglich gewesen wären (vgl. S. 673). Die Novelle wurde nach ihrem Erscheinen(1879/1880) im Grunde positiv aufgenommen. Im Jahr 1900 veröffentlichte Otto Pniower (1859–1932) zum ersten Mal einen Vergleich zwischen der historischen Person und der literarischen Figur Grete Minde (vgl. S. 674). Die literaturwissenschaftliche Rezeption der Novelle wurde seit den 1960er-Jahren vor allem durch den nordamerikanischen Germanisten
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(2022) 114
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