Zum Kommentar
Ich frage im folgenden unter verschiedenen Aspekten, was der Kommentar bietet und leistet. Zunächst ist zu fragen, ob das editorische Vorgehen darin hinreichend reflektiert und für den Benutzer der Ausgabe durchschaubar gemacht wird. Der erste Band beginnt unvermittelt mit dem Abdruck der Ausgabe von 1898, und der zugehörige Kommentar bietet dafür noch keine Begründung. Um so wichtiger ist die Rechtfertigung, die im dritten Band der Ausgabe im Rückblick auf das ganze Unternehmen nachgereicht wird (Bd. 3, S. 707-710). Die Angaben „Zu dieser Ausgabe“ machen nur wenige Seiten aus, sind aber für das Verständnis der Ausgabe von zentraler Bedeutung, weil sie in knappen Zügen die Entscheidung für die Textgrundlage, den Umgang mit dem Text und die Ziele des Kommentars erläutern. Ergänzt werden diese allgemeinen Angaben durch detaillierte Berichte zu Überlieferung, Textgrundlage und Textbearbeitung, die den einzelnen Abteilungen beigegeben werden: z. B. Bd. 1, S. 460 f. für die Gedichte von 1898, besonders ausführlich dann Bd. 2, S. 588-605 für die Gedichte aus dem Nachlaß. Alles in allem kann man sagen, daß das editorische Vorgehen hinreichend begründet und transparent gemacht wird.
Besonderes Gewicht wurde den zusammenhängenden darstellenden Teilen des Kommentars beigemessen, die wesentlichen Aspekten des lyrischen Werks gewidmet sind. In den bisherigen Gedicht-Ausgaben, die sich überwiegend mit der Kommentierung der einzelnen Texte zufriedengeben, fehlt diese Kommentarebene nahezu völlig. Die verschiedenen Gedichtausgaben zu Fontanes Lebzeiten z. B. werden in der Nymphenburger Ausgabe auf gut einer halben Seite aufgeführt. In der Ausgabe des Carl Han- ser-Verlags wird ihnen - im Zusammenhang des Abkürzungsverzeichnisses - noch weniger Aufmerksamkeit zuteil. Die Ausgabe des Aufbau-Verlags indessen widmet ihnen einen Abschnitt von rund 50 Seiten (Bd. 1, S. 411-459): ihrer Entstehung und dem Kontakt Fontanes zu seinen Verlegern; ihrem Verhältnis untereinander, indem über die jeweilige Gliederung und darüber informiert wird, was Fontane ausgeschieden hat, bzw. was neu hinzugekommen ist; und schließlich den zeitgenössischen Rezensionen. In Band 2 erfahren wir Grundsätzliches über Fontanes Mitwirkung an Zeitungen und Zeitschriften (Bd. 2, S. 525-528),- Band 3 geht mit ein paar instruktiven Seiten auf den Gelegenheitsdichter ein (Bd. 3, S. 463-467). Vorzüglich auch, was in Band 2 zur Überlieferung der Nachlaßgedichte gesagt wird (S. 588-603): über die von Fontane angelegten handschriftlichen Gedichtsammlungen; über die Abschriften durch seinen Sohn Friedrich Fontane, die für uns infolge späterer Handschriftenverluste oft zur einzigen Quelle geworden sind; über Bestände des Fontane-Archivs Potsdam; über Gedichtpublikationen aus dem Nachlaß. Solche Abschnitte verraten den langjährigen Kontakt der Herausgeber zum Material und die souveräne Überschau. Über den Einzeltext hinaus geben die zusammenhängenden Abschnitte dem Kommentar eine eigene, wesentliche Dimension: Sie vermitteln allgemeinere Einblicke in die Werkstatt des Dichters, stellen seine Produktion in den Zusammenhang des literarischen Lebens, binden die einzelnen Texte an Phasen des schriftstellerischen Wegs. Den weitaus größten Anhangsanteil beansprucht aber natürlich auch in der Ausgabe des Aufbau-Verlags der Kommentar zu den einzelnen Gedichten. Beachtliche Fortschritte in der Kommentierung sind indessen auch da festzustellen. Vergegenwärtigen wir uns besondere Schwerpunkte der Kommentierung zunächst an einem einzelnen Beispiel, dem Kommentar zu Fontanes bekanntem Gedicht „Was mir gefällt". Er sticht nicht in irgendeiner Weise hervor, erscheint in den gesetzten Akzenten vielmehr gerade als typisch für eine lange Reihe ähnlicher Kommentare. Die Nymphenburger Ausgabe widmet dem Gedicht nicht einmal eine ganze Zeile und vermerkt lediglich: „seit C", also seit der 3. Auflage der Gedichte Fontanes
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