werten" Gemeinsamkeiten (S. 240) tatsächlich die Substanz der Romane und der Intention? Genauer — sind diese äußerlichen Parallelen wirklich Gemeinsamkeiten? Wenn ja, dann sind sie allerdings eher oberflächlicher Art, und sie müssen im Kontext und Kompositionsnexus der einzelnen Romane doch wohl unterschiedlich bewertet und gewichtet werden. Als ein nicht aufgelöster Widerspruch der Argumentationsweise erscheint es auch, wenn Franziska, die bislang als überwiegend fremdbestimmte Figur betrachtet wurde, nun in diesem Zusammenhang als die „Planende und Handelnde und schließlich Erfolgreiche" (S. 241) erscheint.
Fontanes Verfahren, seine Figuren in Präfigurationen und Rollenzitaten zu spiegeln, ist, so die Schlußfolgerung, nicht nur ein dem Roman immanentes Strukturprinzip; es verweise vielmehr auch auf die kulturell tradierten Modelle „überkommene(r) Weiblichkeitsbilder" (S. 243), die den Frauengestalten in Fontanes Romanen zugrunde liegen. Fontane zeige, „wie Frauen durch die poetischen Rollen, die Weiblichkeitsklischees, zum Opfer gemacht werden — und verfährt ebenso" (S. 244). Daß Fontane dem kritisch gegenübersteht, letztlich aber doch die Stereotype bestätigt, ist jedoch so eindeutig doch nicht. Auch dies ist ein wesentliches, aber noch nicht hinreichend beleuchtetes Erzählprinzip Fontanes, daß er Stereotypen und Klischees einsetzt, sie aber gerade durch die Art ihrer Verwendung, Präsentation und Wirkung in neue Zusammenhänge setzt, in Frage stellt und — ironisiert.
Ihre Ergebnisse zusammenfassend, gelangt L. Voss abschließend zu dem Urteil, daß „Graf Petöfy", trotz einiger Schwächen und Widersprüche, doch ein „in sich geschlossenes, facetten- und perspektivenreiches Werk" sei (S. 246), eine Feststellung, die sich cum grano salis auch auf ihr eigenes Nachwort anwenden läßt. Störend wirkt die nicht hinreichend reflektierte bzw. differenzierte Einordnung des Romans in das erzählerische Werk Fontanes (wobei sich über „Vor dem Sturm" sicherlich Zutreffenderes sagen ließe als daß der Roman sich „noch ganz im Bereich der .Wanderungen" halte und „auch stark bailadenhafte Züge" besitze, S. 220) und der schon fast traditionelle, aber deshalb noch immer nicht überzeugende Hinweis auf Fontanes Neigung zum Erzählen in „balladenmäßigen Sprüngen" (S. 245). Und nicht ganz einleuchtend ist auch, warum nach ausführlicher vorbereitender Argumentation eine dann konstatierte Erscheinung immer noch „merkwürdig" oder „eigentümlich" zu sein scheint. Insgesamt aber bietet das Nachwort dem Leser mancherlei Informationen, Hinweise und Interpretationsansätze, die dazu beitragen können, sich bei der Beurteilung des Kunstwerks „Graf Petöfy" „über das Konventionelle zu erheben".**
** Ebda.
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