Heft 
(1991) 51
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Fontane an Kürschner

Berlin 2. Juli 82 Hochgeehrter Herr.

Empfangen Sie meinen ergebensten Dank für Ihre freundl. Zeilen aus Bad Nau­heim. Sie erfreuten mich um so mehr, als ich durchaus nicht auf eine Nachbewil­ligung, am allerwenigsten aber auf einen so wohlwollend abgefaßten Brief ge­rechnet hatte. Denn ich bestreite keinen Augenblick, daß, wie so vieles im Leben, auch Honorarfragen fraglich bleiben. Es giebt unzweifelhaft ganz re- putable Menschen, die solchen Artikel in einem einzigen Tage, vielleicht so­gar in einem halben schreiben, und zufrieden sind und auch sein müssen, wenn sie 30 Mark dafür empfangen. An all dem ist nicht zu rütteln und ich hätt es Ihnen nicht verargt, wenn Sie, hochverehrter Herr, auch nachträglich noch aus­schließlich mit dieser Thatsache gerechnet hätten. Ich gehe noch weiter und halt' es für keineswegs unmöglich, daß ein solcher in 3 Stunden hingeworfner oder vielleicht sogar in 11­ / 2 Stunden diktirter Artikel, ebenso gut oder auch bes ser oder unter Umständen auch viel besser sein kann als der meinige. Trotz al­ledem mußt ich bei Eintreffen der 30 Mark handeln wie ich gehandelt habe. Ich war aufgefordert worden den Artikel zu schreiben, that es ungern, mußte die Sachen durchlesen, mich mit B. M. in briefliche Verbindung setzen, und habe schlecht gerechnet 5 Tage gebraucht um dies Artikelchen zu schreiben und zu­recht zu putzen. Das Letztre dauert immer am längsten, und ist das, wodurch sich unsereins von Hinz und Kunz unterscheidet. Die Talente sind oft gar nicht so ungleich, im Fleiß und Charakter liegen die Unterschiede. Einzig und allein durch meinen Fleiß hab ich es erreicht, daß mir nur noch höchste Honorare gezahlt werden, die für den Nord u. Süd-Bogen 300 Mark und bei Novellen 400 Mark betragen. Und nur diese hohen Honorare setzen mich in den Stand, überhaupt von meiner Feder leben zu können. Verzeihen Sie diese lange Aus­einandersetzung. Es lag mir daran, unter voller Würdigung eines entgegen­gesetzten Standpunktes, eine Art von Beweis zu führen, daß ich, für meine Person, nicht wohl anders verfahren konnte, als geschehn. Mit der Bitte, darin auch mir gerecht werden zu wollen, hochgeehrter Herr, in vorzüglicher Ergeben­heit, [Ihr]

Th. Fontane

Zeilen aus Bad Nauheim - Kürschners Brief blieb nicht erhalten. Nachbewilligung - Emile Fontanes Wirtschaftsbuch im FAP verzeichnet für Juli 1882 eine Einnahme von Spemann: 80 Mark.

Handeln wie ich gehandelt habe - Fontanes Brief, in dem er seinem Un­mut über das karge Honorar Ausdruck gegeben hatte, ist nicht erhalten geblieben.

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