verfügte über 725 Plätze, die zu den bei solchen Veranstaltungen üblichen Überpreisen 1200 Taler erbrachten. 35 Aus der Festgemeinde des Vereins wurde eine Veranstaltung mit zahlendem Publikum. Das ging mit einer vollständigen Professionalisierung einher. Schneider stand nicht bloß der künstlerische Apparat der Hoftheater zur Verfügung, mit dem er als singender Schauspieler und Regisseur umzugehen verstand; vollkommen professionell kalkulierte er, der sein Terrain auf jedem Fußbreit kannte, auch die Wirkungen.
Und doch hatte er schließlich über eine Fehlrechnung zu quittieren, bei der mehr zu Buche schlug als das abrupte Aufführungsverbot. Schneider war sich wohl bewußt, daß er die nationalen Lieder und vor allem Hymnen, obschon verkunstet und vermarktet, wieder zurückversetzen wollte in ihre wahre, die öffentliche Sphäre. Was wäre öffentlicher als eine Nationalhymne. Er traf auch entsprechende Vorkehrungen, strich „Ca ira!" und „Noch ist Polen nicht verloren' und beließ die Marseillaise in französischer Sprache. Beckers Rheinlied, dessen Konjunktur ohnehin vorüber war, scheint wieder entfallen zu sein; den krö nenden Abschluß bildete jetzt die „Borussia". Nur berücksichtigte er mit seinen Veränderungen lediglich jenes wohlmeinende Publikum, mit dem er sich im Kern, in der politisch-patriotischen Loyalität, einig wußte. Er war darauf gefaßt, daß diesem Publikum die Höhen einer Kunstauffassung unzugänglich waren, die den Tunnel seinerzeit in die Lage versetzte, auch dem zuwidersten Revolutionslied noch mit ästhetischem Genuß zuzuhören. Deshalb räumte er die Anstößigkeiten beiseite.
Wie sich aber dann herausstellte, gab es ein anderes Publikum, das andere Zwecke verfolgte. Polnische Studenten sollen sich verabredet haben, von den Sängern zu verlangen, daß auch das Lied ihres geteilten und unterdrückten Volkes gebracht wurde. Sie wollten es sonst selber anstimmen. Und es soll die Absicht bestanden haben, bei der Marseillaise da capo zu rufen. Ein Publikum meldete sich zu Wort, das in der Lage und gewillt war, die ursprünglichen politischen Gehalte der Revolutions- und Freiheitslieder wieder freizusetzen. Insofern - dies Schneiders selbstkritischer Schluß - war sein Unternehmen tatsächlich ein verfehltes und das Verbot am Ende doch ein Akt staatserhaltender Weisheit. An der Märzrevolution, die Schneider von der Bühne des Hoftheaters fegte, seinem weiteren Aufstieg in die Umgebung des Monarchen aber durchaus zustatten kam, hat sich dadurch freilich nichts geändert.
Anmerkungen
1 Theodor Fontane: Autobiographische Schriften. Hg. v. Gotthard Erler, Peter Goldammer und Joachim Krueger. Bd. 2. Von Zwanzig bis Dreißig. - Berlin u. Weimar 1982. S. 163.
2 Statuten des Sonntags-Vereins zu Berlin. Als Manuscript gedruckt. — (Berlin 1835). S. 32.
In den Statuten von 1828 spielen die Feste des Vereins noch keine Rolle- Die Fassung vom 26. Februar 1832 erwähnt sie lediglich im §21: „Gäste»
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