Nein, im Tunnel hat keine Revolution stattgefunden. Das Jahr 1848 hat nur eine politische Tendenz an die Oberfläche gebracht, die schon die Vorliebe für patriotische Themen im Vormärz erkennen ließ. Das Interesse für die berlinische und preußische Geschichte, der Kult der Hohenzollern-Tradition charakterisieren von Anfang an einen Teil der Tunnelproduktion. Louis Schneider, Tunnelmitglied seit 1827, im Hauptberuf Schauspieler im Königlichen Schauspielhaus, in vielen Nebenberufen (Dramaturg, Journalist, Soldatenschriftsteller, Russischlehrer), Diener und Förderer des Preußentums, zeichnet sich schon 1828 durch die Veröffentlichung von vaterländischen Chroniken in der Spenerschen Zeitung aus. Der Soldatenfreund, eine 1833 von Schneider gegründete und redigierte Zeitung zur Unterhaltung und Belehrung des einfachen Kasernenvolks, widmet einen guten Teil seiner Beiträge der Heroisierung der preußischen Geschichte. Historische Anekdoten, volkstümliche Darstellungen von Herrschergestalten und von soldatischen Heldentaten sollten Patriotismus und Königstreue stärken. Mit viel Konsequenz und wenig Kunst arbeitete Schneider an der Herausbildung einer preußischen Nationallegende zur Förderung des preußischen und zur Bekämpfung des deutschen Nationalgefühls.
Damit stiftete Schneider eine lokalgeschichtliche und vaterländische Tradition, mit der der Tunnel sich zahlreiche patriotische (und einige künstlerische) Orden verdienen sollte. Man denke nur an die volkstümliche Geschichte Friedrichs des Großen (1840-42) von den Tunnelianern Kugler und Menzel oder an Louise, Königin von Preußen, dem deutschen Volke erzählt (1849), einen Bestseller der fünfziger Jahre, von dem Berliner Journalisten Friedrich Adami, Schneiderfreund und Tunnelgast.
Der Erfolg der patriotischen Thematik in der Tunnelproduktion der vierziger Jahre gründet sich außerdem auf die Lyrik C. F. Scherenbergs und besonders auf seine epischen Schlachtenschilderungen der Jahre 1846 bis 1852. Die Rezeption dieser Dichtung war ein zentrales Erlebnis für viele Mitglieder des Vereins. Dafür sprechen nicht nur Fontanes Erinnerungen, sondern auch Tun- uelprotokolle und die Korrespondenz der Tunnelmitglieder. Seit seinem Beitritt lm Jahre 1840 weckte Scherenberg das allgemeine Interesse durch eine dichte- rische Produktion von auffallender Originalität. Seine Inspiration gebar merkwürdige, trotz unermüdlichen Feilens immer ungehobelt wirkende Gedichte, in denen sich Volkstümlichkeit und Verschrobenheit auf die seltsamste Weise verbanden.
In der Förderung dieses autodidaktischen und noch unfertigen Genies sahen e influßreiche, gutsituierte Tunnelmitglieder wie Friedberg, Mühler und Loos die vielversprechende Aufgabe, bei der Entstehung eines großartigen patrioti- sc hen Werkes und bei der Durchsetzung eines urpreußischen Nationaldichters mitzuwirken. So konnte eine erste Auswahl Scherenbergscher5 Gedicht e 184 veröffentlicht werden. Louis Schneider, der im August 1848 seine neue Stelle aes ls königlicher Vorleser antritt, bemüht sich mit Erfolg, die Aufmerksamkeit d Hofes auf den Dichter zu lenken und erreicht die erste Veröffentlichung seines Epos Waterloo aus königlichen Mitteln.
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