Heft 
(1991) 51
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Der Erfolg, dessen sich das Preußenlied im Tunnel erfreute, ist paradox. Vor­nehme Dilettanten, die sich von ihrer Tunnelmitgliedschaft die Entfaltung mu­sischer Neigungen versprachen, finden einen gemeinsamen Nenner in der Pflege eines poetischen Genres, das Intellektualität und ästhetische Raffinesse ablehnt. Preußenlieder bilden merkwürdigerweise den Kern der schmalen Auslese, die der Tunnel der Nachwelt überliefert hat: Fontanes Feldherrnballaden gehören eindeutig zu dieser Gattung, die sie jedoch durch Verfeinerung (Vergröberung wäre ja kaum möglich) karikieren und verfremden.

Fontane teilte jedoch mit Scherenberg das zweifelhafte Glück, für Absichten Applaus zu erhalten, die er nicht hatte artikulieren wollen. Die Tunnelkritik scheint sein ironisches und kritisches Lob preußischer Tugenden für bare Münze genommen zu haben. Louis Schneider veröffentlichte einige der Feldherrnbd- laden 7 unmittelbar nach den Lesungen im Tunnel 1846 und 1847 im Soldaten- freund 8 und nahm sie 1848 in eine Auswahl der seiner Meinung nach besten und loyalsten patriotischen Gedichte mit dem Titel Leier und Schwert 9 auf. Dort figurierten sie unter Beiträgen zur Förderung der konterrevolutionären Stim­mung. Die Feldherrnballaden wurden wie Scherenbergs Gedichte und Epen am Hofe vorgelesen und begannen wie im Nachmärz eine erfolgreiche Lauf­bahn als unbedenkliche patriotische Dichtung - ein Mißverständnis, das eben­sowenig wie im Fall Scherenberg vom Autor selbst beseitigt wurde. Fontane hatte am eigenen Leibe erfahren, was er im Scherenberg-Buch in der dritten Person schildert.

Im Soldatenfreund wie im Programm der Vorlesungen, die Schneider bei Hofe hielt, befand sich Fontanes Name neben dem seines künftigen Kreuz-Zeitungs- Kollegen Georg Hesekiel. Dieser klassische Repräsentant des volkstümlich- reaktionären Preußenliedes war eine Entdeckung Schneiders, der ihm im Juni 1847 nach der Lektüre seiner 1846 erschienenen Preußenlieder einen enthusiasti­schen Bericht im Soldatenfreund widmete.

Manch tüchtiges Soldatenlied, manch ehrliches Kriegslied und was sonst aus dem Soldatenstande und für den Soldatenstand gesungen worden, hat d er Soldatenfreund seit vierzehn Jahren gesammelt und getreulich mitgeteilt Viele hundert hat er aber auch gelesen und nicht mitgeteilt, weil es eben gar selten ist, ein gutes Soldatenlied und ein tüchtiges Kriegslied zu dichten- Den guten Willen und die ehrliche Meinung dazu haben viele, aber wie es wahr ist, daß die besten Soldatenlieder nur zur Zeit des Dranges, der Not der Begeisterung und des Sieges entstehen, so wahr ist es auch, daß selbst der beste Wille und die anerkannteste poetische Befähigung nicht immer im Stande ist, in dieser Richtung Tüchtiges zu schaffen - von Merckel, Scherenberg Fontane, die für den Soldatenfreund gedichtet, waren es im Stande, u n d Georg Hesekiel schließt sich diesen Namen würdig an. Das kleine, anspruchs­lose Heftchen mit dem einfachen Titel ,Preußenlieder' hat uns große Freude gemacht, und wird es allen Kameraden machen, die ein Stündchen der Muße dran setzen, um sich wieder einmal an tüchtiger Gesinnung und ehrlicher Begeisterung für das Vaterland zu erquicken."

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