tichslieder zur Enthüllungsfeier des Friedrichsdenkmals Unter den Linden (31. Mai 1851) bzw. zur Erinnerung an diesen Tag. 18 Hesekiel schrieb im selben Jahr ein Festgedicht zur Enthüllung des Friedrich-Wilhelm-Denkmals in Königsberg am 3. August und Fontane zum Geburtstag der Königin Elisabeth am 13. November. Bernhard von Lepel, der im Porträt, das Fontane von ihm zeichnet, als vornehm zurückhaltender und ästhetenhaft unpolitischer Edelmann erscheint, zeigt eine erstaunliche Bereitschaft zur Rolle des patriotischen Gelegenheitsdichters. Er ist der Autor eines Soldatenlieds zum Geburtstag des Königs und eines Landwehrliedes, beides flache, hurrapatriotische Gedichte, die im April 1853 vom Soldatenfre un d veröffentlicht wurden. Ferner ist er der Ver fasser eines Lobliedes auf die preußische Armee, Ostern in Schleswig, zum Festmahl nach dem Sieg Ende April 1848 und verschiedener Soldatenlieder, denen er ein Kapitel der 1866 veröffentlichten Auswahl seiner Gedichte widmet. Seine Korrespondenz mit Fontane zeigt, in welchem Maße die beiden Oden an Friedrich Wilhelm IV. Lepels Fleiß in Anspruch nahmen. Der Brief vom 6. Oktober 1851 19 belegt, daß die zweite dieser Oden, Zur Friedrichsfeier, 1851 im Tunnel vorgelesen und diskutiert wurde, ein eindeutiger Bruch der unpolitischen Tradition.
Die Tunnelgesellschaft neigte dazu, allgemeinen Konsens als Tendenzlosigkeit mißzuverstehen. Neben den bemerkenswerten aber zweideutigen Ausnahmen Scherenberg und Fontane vertrat sie hauptsächlich Schattierungen des preußischen Konservatismus. 20 Zwischen den verbissenen Absolutisten und Rußlandfreunden Schneider und Köppen, den kriecherischen Reaktionären Hesekiel und Heinrich Smidt einerseits, den strammen Monarchisten Lepel und Merckel oder dem Anhänger und Theoretiker des Gottesgnadentums Adolf Widmann gab es andererseits eher stilistische und soziologische als rein ideologische Differenzen. Aber Bruderzwist ist der heftigste Streit um Nuancen, der verbissenste. Politische Themen bedrohten tatsächlich den Zusammenhalt des Vereins. Die nie offen in Frage gestellte Tunneltradition des reinen Musenkults hatte einen gesellschaftserhaltenden Charakter. Die Ausklammerung der politischen Diskussion führte zur Verlagerung der politischen Differenzen auf das ästhetische Gebiet. Form und Stilkritik fand an Stelle der Auseinandersetzung mit dem Inhalt statt, was in manchen Fällen, zum Beispiel in der Diskussion um Fontanes Balladen und Scherenbergs Epen, zu einem falschen Textverständnis führte - mit stillschweigender Einwilligung der Opfer (und Nutznießer) des literarischen Irrtums.
Die Auseinandersetzung mit der patriotischen und politischen Dichtung des Tunnels um 1848 belegt schließlich die Erkenntnis, daß Unpolitische eigentlich nur Menschen sind, die ihre Parteizugehörigkeit noch verkennen. Tunnelmitglieder wie Wilhelm von Merckel, der wütende Kampfgedichte gegen die Revolution, „den Satan unserer Zeit", schreiben konnte, oder wie Bernhard von Lepel, der der preußischen Monarchie die Lauheit ihres konterrevolutionären Eifers vorwarf, hielten sich selbst für gemäßigte Vernunftmenschen und trieben den Kult der goldenen Mitte. 21 Die Kultivierung der Tendenzlosigkeit führte
53