Heft 
(1991) 51
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innert: neben den im Vordergrund stehenden literarischen Veranstaltungen gab es auch musikalische Darbietungen, zudem legte man eine Bildersammlung an. So findet sich etwa Adolph Menzel unter den prominenteren bildenden Künst­lern des Tunnels.

Eine literarische Vereinigung war der Tunnel vor allem, weil er seinen Mitglie­dern Gelegenheit bot, literarische Interessen zu kultivieren. So entwickelten sich u. a. Fontane, Heyse, Seidel, Kahlert und Hahn während Ihrer Mitglied­schaft oder gar durch sie zu Schriftstellern. Die Atmosphäre des Vereins regte aber auch Vertreter nichtpublizistischer Berufe zu den verschiedenartigsten Veröffentlichungen an. Wer nicht veröffentlichte, betätigte sich literarisch, indem er die Früchte seiner schriftstellerischen Neigungen im Rahmen der sonntäg­lichen Tunnelsitzungen vortrug oder Kritik an den Spänen anderer übte.

Der Tunnel, eine langlebige literarische Vereinigung

Mit seiner über siebzigjährigen Geschichte ist der Tunnel eine der langlebigsten literarischen Vereinigungen Deutschlands. Im Vergleich zur wechselvollen histo­rischen Entwicklung Deutschlands im 19. Jahrhundert ist seine Geschichte von einer bemerkenswerten Stabilität gekennzeichnet. Auch einschneidende politische Umwälzungen führten nicht zu Veränderungen des Sozialprofils, so daß sich über fünfzig Jahre die Mitgliedschaft überwiegend aus Beamten, Juristen und Offizieren zusammensetzte. Der Anteil der Schriftsteller und Journalisten über­schritt kaum 20%. Daneben fanden sich auch Studenten, Ärzte, Lehrer, Pfarrer und Professoren sowie bildende Künstler.

Die soziale Kluft zwischen Studenten und Professoren, mittellosen Literaten und wohlhabenden Staatsdienern galt es zu verwischen. So gab man sich die soge­nannten Tunnelnamen, die in Titeln und Würden der Mitglieder wurzelnde Beklommenheit überwinden helfen sollten. Man denke sich nur einen Studenten, der den Offizier mit der in den Statuten vorgeschriebenenlangen Nase' be-

grüßt.

Durch die Tunnelnamen allein wären die Gegensätze unter den Mitgliedern wohl kaum zu überbrücken gewesen. Die Langlebigkeit der Vereinigung ist auf eine Reihe von stabilisierenden Faktoren zurückzuführen, die bei der Analyse der soziologischen Daten der Mitglieder offenkundig werden. Obwohl die Sta­tuten jedemunbescholtenen, gebildeten Mann' Zutritt zum Verein gewährten, verlangten die Ziele der Vereinigung ein hohes Bildungsniveau der Mitglieder, das den Tunnel doch zum exklusiven Club machte. Mitglieder ohne Gymnasial­oder Hochschulbildung blieben die Ausnahme.

Neben dieser Homogenität auf dem Gebiet der Bildung glichen sich die Mit­glieder des Tunnels auch im Hinblick auf ihre soziale Herkunft: Sie entstamm­ten zum überwiegenden Teil dem bürgerlichen Mittelstand.

Darüber hinaus kann man insofern von personeller Kontinuität sprechen, als viele Mitglieder dem Tunnel als Studenten beitraten und erst durch ihren Tod ausschieden. Im Jahre 1877 waren unter den Vereinsmitgliedern noch sechs, die bereits vor 1830 beigetreten waren: W. Bernhardi 1827, E. Jacobi 1828,

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