Für den heutigen Leser stellt diese Novelle einen Höhepunkt Stormscher Dichtkunst dar, denn nichts in ihr läßt einen jener Vorwürfe zu, die kritische Leser in den letzten Jahrzehnten Storm meinten machen zu müssen. Hier findet sich keine Spur von Sentimentalität und kein Hauch einer absichtsvoll über das Ganze ausgegossenen Stimmung oder von Stormschem „Bibber", um eine Formulierung Fontanes zu verwenden. Diese Erzählung verrät eine hohe künstlerische Gestaltungskraft, die ganz auf Knappheit und unerbittliche Konsequenz aus ist. Die Heldin, Margarethe Glansky, ist die Tochter einer Hebamme und eines „Slovaken", der zufällig im Norden hängengeblieben ist. Wie von Hilde in „Ellernklipp" kann man von ihr sagen, daß sie „regelrechte Verhältnisse verwirre"; aber anders als Hilde ist sie nur zufrieden, wenn sie einen Schwann von Verehrern um sich hat. Doch gemeinsam ist beiden Erzählungen das Motiv des merkwürdigen Mädchens, das die Herzen der Männer in ihren Bann schlägt. Sie verstört die Herzen und bringt ihrer Umgebung Ruin und Untergang. In „Ellernklipp" wie „Draußen im Heidedorf" also spielt die Verstörung der Herzen durch ein ebenso bezaubernd wie fremdartig erscheinendes Mädchen die entscheidende Rolle.
Storm siedelt seine Erzählung (der Herkunft des Stoffes entsprechend) in der Gegenwart seiner friesischen Heimat an, Fontane wählt den Harz und das 18. Jahrhundert. Dabei entfaltet Fontane in seiner Novelle eine viel breitere Lebenswelt als Storm in der seinen. Mit rigoroser Strenge gibt Storm dem Leser nur, was die Handlung fördert, während Fontane seine Stärken voll ausspielt, indem er in wahren Kabinettstücken von Dialogen menschliche Denk- und Verhaltensweisen darstellt, die die gezeichnete Lebenswelt verdichten helfen. Als Figur ist Margarethe Glansky Fontanes Hilde fraglos überlegen. Sie ist viel wirklicher als Hilde Rochussen, denn diese hat doch, und das ist angesichts der Intentionen des Erzählers begreiflich, etwas von einer mehr oder weniger geglückten Konstruktion an sich. Jedenfalls tut Fontane alles, um seine Heldin allen Aktivitäten zu entrücken, während Storm alles unternimmt, um seine Margarethe in einem zweifelhaft Menschlichen so fest wie möglich zu verankern. Und das zweifelhaft Menschliche (und niemand wußte das besser als Fontane) ist nun einmal die eigentlich realistische Erscheinungsform des Menschen. Bei Fontane lassen zwar viele Einzelzüge ein auffälliges Charakterbild entstehen, aber über den vielen interessanten Zügen geht die Nähe zur Realität und zur Wahrscheinlichkeit verloren. Ganz anders Margarethe Glansky. Gleich am Anfang der Erzählung steht eine Szene von höchster Eindringlichkeit. Der Leser erhält einen ersten, für den ganzen Fortgang der Erzählung aufschlußreichen Eindruck von dem Verhältnis des Paares Hinrich Fehse und Margarethe Glansky. Fehse hat Mutter und Tochter zur Stadt gefahren und ist nun bemüht, für die Rückfahrt zum Dorf das Mädchen an seine Seite zu bringen, während sie neben der Mutter sitzen will, um vor seinen Zudringlichkeiten gesichert zu sein. Er tut alles, um seinen Willen durchzusetzen, doch sie wird fast mühelos mit ihm fertig: nicht dadurch, daß sie ihn brüsk zurückweist, sondern indem sie mit ihm spielt und ihm zugleich so viel zu versprechen scheint, wie sie ihm entzieht. Während sie sich von ihm auf einem Holzstuhl, der als Tritt dien t.
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