Heft 
(1991) 51
Seite
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liegt schwer auf mir ... Es wird nichts Gutes. Ich fühl es ... Es kann nicht. Ich habe wohl das Einsehen und das Auge, daß es besser war, es wäre anders; aber weiter hab ich nichts. Und ob die Schuld mein ist oder nicht, und ob ich's verfahren hab oder nicht, es muß bleiben wie's ist, und es muß gehen, wie's will." (S. 235)

Die Liebe zu Hilde und die Eifersucht auf Martin lassen ihn nicht zu sich selber finden. Selbst der Gang an das Grab der verstorbenen Frau bleibt nutzlos. Zu tief hat sich Hildes Bild in sein Innerstes gegraben, als daß die Erinnerung an die Tote ihn auf den Weg der Vernunft zurückbringen könnte. Hatte er schon am Abend seines Geburtstages, da seine Gedanken in die Zukunft schweiften, zum ersten Male vergessen, den Blick auf das Pastellbild seiner Seligen (221) zu richten, so erweist sich nun die Tote als wahrhaft tot. Er rüttelt verzweifelt an dem Gitter, das ihre Grabstelle umschließt:mir ist viel angetan (235); aber man spürt, daß sein Kampf längst vergeblich geworden ist: »es muß gehen, wie's will." (235) Das ist die Kapitulation vor der eigenen Leidenschaft. Wenn er sich auch noch einmal ermannt und sich selbst versichert, daß er einzustehen habe für Recht und Ordnung", für Gebot und gute Sitte (235), so sind das doch nur Lippenbekenntnisse, denn er weiß:

Ordnung und gute Sitte! Hab ich sie denn gehalten? Aus aller Zucht des Leibes und der Seele bin ich heraus, und die gute Sitte, von der ich sprech, ist Neid. Ich neid es dem Jungen. Das ist alles. Ich neid ihm das schöne, müde Geschöpf, das müd ist, ich weiß nicht um was. Aber um was auch immer, es hat mich behext, die Grissel hat recht, und ich komme nicht los davon!" (235 f).

-es hat mich behext - die letzte Ausflucht des sich verloren gebenden Mannes. Er glaubt sich in den Händen höherer Mächte, denen Widerstand zu leisten er nicht die Kraft in sich fühlt. So geht er in die letzte Begegnung mit dem eige­nen Sohn. Als er ihn sieht, schwindet alles hin, was er an guten Vorsätzen in seiner Seele gefaßt haben mochte. (236) Der Leser weiß, daß es ohnehin nur Reste von guten Vorsätzen sind, die in ihm leben. Es bedarf im Grunde des Zwiegesprächs kaum noch, das in den letzten Augenblicken zwischen Vater und Sohn abläuft. Zu entschieden ist in dem Alten der Wille am Werk, den Sohn aus dem Wege zu räumen, um sich des Mädchens versichern zu können. Mag se in, daß ihn die Lüge des Sohnes, der nichts von Hilde zu wissen behauptet, zusätzlich erregt, mag sein, daß er die Aussage Martins, er sei nicht zum Vor­mund oder Hüter seiner .Schwester' bestimmt, als Hohn mißversteht, denn seine Sache wäre es gewesen, sie zu hüten: aber in Wahrheit könnte der Sohn doch Wohl sagen, was er wollte. Was den Alten beseelt, ist brennende Eifersucht und, daraus entspringend, die unbedingte Entschlossenheit, den Nebenbuhler zu ver­achten. Daß er während des Ringkampfes mit dem Sohn stürzt und sich in ein er demütigenden Lage (237) findet, mag sein Handeln mitbestimmen, aus- schlaggebend ist das nicht. Wie sehr das Böse von ihm Besitz genommen hat.

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