Heft 
(1991) 51
Seite
74
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Gründe für diesen Mißerfolg? Da selbst kluge Fontane-Kenner die Erzählung nicht zu verteidigen wagen, wird man sich kaum auf den schönen Satz berufen können: Wenn man mit einem Buch auf einen Kopf schlägt und es klingt hohl, dann muß es nicht immer das Buch sein. Überdies sind die Elemente für eine spannende Erzählung allesamt gegeben: ein verführerisches Mädchen, das von Vater und Sohn umworben wird, ein Vater, der aus Eifersucht den eigenen Sohn tötet und schließlich, weil sein Gewissen mit der Tat nicht fertig wird, seinem Leben ein Ende setzt. Diese Fakten müßten zureichen für eine Erzählung, die den Leser von Anfang bis Ende in Atem hält.

Es mag jedoch sein, daß es dem Dichter nicht gelungen ist, die Geschichte straff genug zusammenzuhalten. Das zeigt sich, wenn sich Dialoge finden wie etwa die zwischen Joost und Grissel oder die zwischen den Offizieren auf dem Schloß der Gräfin, auf die kein Fontanekenner verzichten möchte, weil sich Fontanes zukünftige Meisterschaft darin ankündigt, in denen aber doch nicht erreicht ist, was Fontane später vollendet zu leisten vermag, daß nämlich der Dialog immer auch handlungsfördernd wirkt, ja Handlung ist. Dem aufmerk­samen Leser wird es zwar in den meisten Fällen möglich sein, die Verknüpfung des Dialogs mit der Handlung wahrzunehmen, aber er wird sich doch nicht immer überzeugen können, daß dieser Dialog seinen Platz mit Notwendigkeit einnimmt. Was einer Erzählung dienstbar ist, muß ihr nicht auch notwendig sein.

Aus dem eben Erläuterten läßt sich aber noch ein anderer Gesichtspunkt ablei­ten, der einsehbar macht, weshalb Fontane die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers nicht festzuhalten vermag. Seine Absicht geht dahin, einen Stoff zu ge­stalten, der zu einer klar erkennbaren Zeit und an einem klar erkennbaren Ort spielt. Schon sein Satz, daß nur derjenige seine Erzählung wirklich verstehen könne, derselber nach Wernigerode" gehe undauf einem Waldhügel oder einer Graswalze sitzend, die Geschichte von dem rotblonden, nicht zum Glücke geborenen Kinde lese (Briefe an Wilhelm und Hans Hertz 1859-1898, Stutt­gart, 1972, S. 260), spricht die Überzeugung aus, daß diese Geschichte gleich­sam aus der Landschaft herauswachse, gerade dieser Landschaft als eines not­wendigen Hintergrunds bedürfe. Und ein ähnliches Gewicht sollte für die Er­zählung wohl auch das Gebundensein an eine bestimmte Zeit besitzen, wenn Fontane das auch nicht ausdrücklich bestätigt. Er hat jedenfalls die größte Sorgfalt walten lassen, um Zeit und Ort rund und anschaulich werden zu lassen. Allerdings bleibt die Frage: hat sich der Aufwand gelohnt? Braucht das, was sich zwischen dem Heidereiter, seinem Sohn und Hilde abspielt, um es dem Leser verständlich zu machen, wirklich diesen lokalen und zeitgeschichtlichen Hinter­grund? Doch wohl nicht. Der Satz, in dem Fontane seine Intentionen zusammen­faßt und in dem vom Zauber der Illegitimität und des Languissanten die Rede ist, er deutet weder auf die Landschaft noch auf die Zeit als notwen­digen Hintergrund. Was zwischen den drei Hauptgestalten der Erzählung g e - schieht, hat allgemein-menschliche Züge und erwächst nicht aus den spezifischen Umständen von Raum und Zeit, ist also, um verständlich zu werden, auch nich t an Raum und Zeit gebunden. Die Eifersucht ist eine Erscheinung, die zum