Nun ist die Fontane-Forschung natürlich keine abgeschlossene Sache. Ganz im Gegenteil, da ja noch nicht einmal der Nachlaß vollständig erfaßt, geschweige denn erschlossen werden konnte. Ein Umstand wie die Entdeckung der Quelle, aus der Fontane geschöpft hatte, als er das zur Debatte stehende kleine Werk verfaßte, bietet willkommene Gelegenheit, sich seiner mit Aufmerksamkeit anzunehmen, um es in neuem Lichte auf seine Aussagekraft hin zu befragen. Der Berliner Verleger Rudolf Schuster brachte zu Weihnachten 1879 die »Vaterländischen Reiterbilder aus drei Jahrhunderten" 3 auf den Markt. Es handelte sich dabei um ein großformatiges Prachtexemplar, wie es einem damals weit verbreiteten Geschmack entsprach. Auf der Welle patriotischer Konjunktur reitend, konnte sich der Verleger damit ein einträgliches Geschäft ausrechnen. Bei der Vorbereitung seines Projektes hatte er deshalb zwei Männer zusammengeführt, die über einen bestimmten Bekanntheitsgrad bzw. eine gewisse Popularität verfügten. Beide nämlich waren von derselben Welle vaterländischer Begeisterung gehoben worden, der Schwung zu geben sie sich ihrerseits nach Kräften bemüht hatten: der Historienmaler Wilhelm Camphausen und der Schriftsteller Adolf Brachvogel. Doch Brachvogel starb bereits im November 1878 während der Arbeit und hinterließ lediglich einige Entwürfe. Um sein Vorhaben zu retten, mußte der Verleger einen anderen Autor gewinnen, und er entschied sich für Fontane.
Das Angebot Schusters erreichte Fontane allerdings zu einem Zeitpunkt, der einen tiefen Einschnitt in seinem Schaffen markiert. Fast alle seine wesentlichen historischen Arbeiten lagen nämlich abgeschlossen hinter ihm, namentlich die »Wanderungen durch die Mark Brandenburg' und die sogenannten Kriegsbücher. Letztere hatte er noch als Auftragswerke entgegengenommen, sie aber gewissermaßen nicht mehr als solche behandelt, indem er sich nämlich über den vordergründigen Zweck dieser Arbeit hinaus ein weit höheres Ziel gestellt hatte. „Ich sehe klar", so beurteilte er seine Arbeit selbst im Nachhinein, „daß ich eigentlich erst beim 70er Kriegsbuche und dann beim Schreiben meines Romans („Vor dem Sturm", F. G.) ein Schriftsteller geworden bin. Sein Selbstwertgefühl erlaubte es ihm fortan nicht mehr, sich »an eine vorgeschriebene Aufgabe festnageln zu lassen". 5 So lehnte er auch die ihm eben damals angebotene Redaktion der Zeitschrift „Der Bär" ab. „Ich will nur noch Romane und Novellen schreiben und mich auf diesem Gebiete legitimieren" 6 , so lautete die Begründung. »Man muß", so heißt es an anderer Stelle, „entweder, wie Thiemus, für einen Menschen schreiben, oder wie Sir John Redcliff e oder Samarow gleich ,for the million'. Ein Mittelkurs ist eigentlich Unsinn, denn die Wissenden zählen wirklich nur nach Einern." 7
Je fester Fontane aber Rang und Würde des Künstlers zu verteidigen entschlossen war, desto tiefer mußte er die Demütigungen empfinden, die sich in der Ignoranz gegenüber echtem Künstlertum seitens breiter Kreise der Öffentlichkeit und auch der Verleger selbst zu erkennen gab. Erste Anerkennung »Grete Minde" kommentierte er bitter: „So erfreulich dies nun alles ist, so traurig ist es doch auch. Vor allem aber ist es nicht im Geringste n schmeichelhaft. Denn man bilde sich doch nicht ein, daß die Huldigungen dem
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