Friedrichsruh wissen, um feststellen zu können, daß einige Informationen aus dem spezifischen Aufgaben- bzw. Interessenbereich Buchers auftauchen, denen man auch in den Darstellungen bzw. Erinnerungen der Poschinger oder Gittermann von bzw. an Bucher wiederbegegnen kann, z. B. Betrachtungen phreno- logischen Charakters 39 , bemerkenswerte Details, selbst gewisse sprachliche Anlehnungen 40 , die für seine Verfasserschaft sprechen und sogar die Vermutung nahelegen, daß sich der Autor in einer der winzigen Randfiguren selbst eingebracht haben könnte. 41
Die Veranlassung, den Essay, denn um nichts Geringeres handelt es sich, in England zu publizieren, lag offensichtlich im Stattfinden des Berliner Kongresses und in dem damit verbundenen erhöhten Interesse an der Persönlichkeit des Fürsten auch und gerade dort, wo, wie es in der „Gegenwart' heißt, „die sehr vornehmen englischen .Reviews' und ,Magazines' ... sich bis zur Stunde mit der gewaltigen Erscheinung des Gründers der deutschen Einheit entweder gar nicht oder nur in kühl abwägender und von Mißgunst nicht ganz freier Weise beschäftigt" 42 hatten. Von dem Bestreben erfüllt, für den „ehrlichen Makler" zu werben, empfahl sich der Essay dem englischen Publikum noch besonders dadurch, daß er in der „älteste (n) und vielleicht angesehenste [n] der englischen Monatsschriften" 43 erschien.
Wenn man der Auffassung der „Gegenwart" folgen darf, daß mit diesem Essay eine Wende in der Beurteilung des deutschen Reichsgründers durch die englische Presse eingeleitet worden ist, dann gewiß auch deshalb, weil er, wie man unterstellen darf, speziell für Engländer verfaßt wurde. Anders: Der deutsche „Landsmann" wußte offensichtlich sehr wohl, wie man am ehesten die Sympathie eines Engländers gewinnen könne. Er gab keine „politische Biographie". Der Politiker wird wo möglich von der Persönlichkeit getrennt. Der politische Werdegang und die politische Leistung des Kanzlers werden, wie auch die Mitglieder seiner Familie, in einem besonderen Abschnitt kurz vorgestellt, ohne den Zeitzeugen auf der Insel zu überfordern. Er bildet den Rahmen, innerhalb dessen die Persönlichkeit des Fürsten in einer „gedrungenen, energischen Charakteristik" 44 vorgestellt und die politische Ebene nur noch dort beteten wird, wo sie sich als Feld der Bewährung für einen großen Charakter erweist. Und hier tritt uns ein Landedelmann in der besten Bedeutung dieses Wortes entgegen, ein Mann, der sich im Grunde nur dort, auf seinen Besitzungen, zu Hause fühlt: Der mustergültige Ehemann, der treusorgende Familienväter, der Beschützer aller seiner Anvertrauten, der von Gottesfurcht erfüllte, tief empfindende Natur-, Tier- und insbesondere Hunde-Freund. Als Politiker ist er dagegen der seinem König und Kaiser unbedingt ergebene und opferbereit dienende Junker, der Meister der schriftlichen und mündlichen Rede, der gefürchtete Parlamentarier und gesuchte Gesprächspartner, vor allem aber der mit eingeborenem Mute, Optimismus und tiefem Selbstvertrauen ausgestattete, die öffentliche Meinung gering schätzende Staatsmann, der seine großartigen Leistungen seiner Entschlossenheit zu verdanken hat, notfalls auch die eigene Person bzw. das eigene Glück auf eine Karte zu setzen. Also beileibe kein Jedermann! Im Gegenteil: Seine Größe liege in seiner, wie es dort heißt.
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