Heft 
(1991) 51
Seite
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historischen Kühnheit", einembeinahe an Wahnsinn streifenden Optimismus", derdie Kühnheit begünstigt", ohne den gleichwohlgroße Taten nie vollbracht worden sind" 45 und der den Vergleich mit Alexander, Caesar und Napoleon herausfordert. Dem Kampf gegen den Sozialismus wird schließlich ein Zug von antiker Großartigkeit verliehen, wenn es dort heißt:Bismarck mag dann von neuem zu kämpfen haben. Und wer kann sagen, daß er wieder siegreich sein wird? Aber wenn er seiner Vergangenheit treu bleibt - und es ist kein Zweifel, daß er es wird - kann er niemals nachgeben; er wird bis auf das Äußerste kämpfen für das, was er als recht erkennt, und wenn er fällt, bevor der Tag gewonnen ist, wird es nur nach einem furchtbaren Kampfe gewesen sein, nach­dem er seinen Feinden schwere Wunden beigebracht, und mit dem Gesicht seinen Widersachern zugekehrt." 46

Historische Größe dieser Art ist auch ohne tragische Konsequenzen nicht denk­bar: Hier also eine von tiefem Haß erfüllte, an Zahl wachsende Gegnerschaft, dort Unterwürfigkeit und Bettelei, die ihrerseits Skepsis und Misanthropie her- vorrufen und in die Einsamkeit führen.

Als die ZeitschriftDie Gegenwart" den Essay 1878 auch dem deutschen Publi­kum zugänglich machte, lag das sehr wahrscheinlich nicht nur an seiner Quali­tät sui generis. Man darf der Zeitschrift unterstellen, daß sie dem Kanzler in einer schwierigen Situation beispringen wollte, als er nämlich nicht nur als Gastgeber und Leiter des Kongresses gefeiert, sondern auch als Einpeitscher des Sozialistengesetzes angefeindet wurde. Sie strich etwa 20 der 36 Spalten des englischen Originals, und zwar alles das, was der deutschen Leserschaft bekannt gewesen sein dürfte, z. B. den politischen Werdegang des Fürsten, die Vorstel­lung seiner Familie, seinen Tagesablauf in Varzin oder Friedrichsruh. Aber sie unterdrückte auch das, was dem Fürsten in den Augen mancher deutscher Leser schaden konnte bzw. als nicht opportun angesehen werden mußte, z. B. alle jene Textpassagen, die an die entschiedene Parteinahme des Junkers Otto v. Bismarck in der Revolution von 1848/49 erinnerten. Auch folgender kleiner Abschnitt wurde dem deutschen Leser vorenthalten:

Wenn ein Mann früh morgens auf die Jagd geht", sagte er [der Fürst] einst auf einem seiner parlamentarischen Empfänge,fängt er damit an, auf alle Sorten Wild zu schießen und ist gewillt, meilenweit zu laufen und durch Sümpf e zu stapfen in der Absicht, Geflügel vor die Flinte zu bekommen. Aber wenn er den ganzen Tag herumgelaufen, seine Jagdtasche gefüllt und er beinahe wieder zu Hause ist, hungrig und durstig, staubbedeckt, todmüde, will er nur noch Ruhe. Er schüttelt den Kopf, wenn der Diener ihm sagt, daß er nur wenige Schritte zu machen brauche, um im nahen Felde, gleich neben dem Haus, einige Vögel schießen zu können. ,Ich habe genug davon', sagt er dann. Aber laß' j e - manden kommen und ihm sagen: .Dort drüben, im tiefsten Dickicht des Waldes- kannst du einen Keiler schießen', und du wirst sehen, daß der erschöpfte Mann, sofern Jägerblut in seinen Adern fließt, alle Strapazen vergißt, sich zusammen - reißt, und, davonstampfend, in den Forst eindringt und nicht ruht, bis er das

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