dicken Folianten, weil es nämlich gewissen Kreisen darum ging, möglichst alles an sogenanntem Heldentum aus der preußisch-deutschen Vergangenheit im Interesse einer Durchhaltepropaganda zusammenzukratzen und eben dieses Projekt sich aus seiner Eigentümlichkeit heraus diesem Zwecke bestens zu empfehlen schien. Der Historiker und Bismarck-Biograph Hanns Martin Elster unternahm es, die Reiterbilder 1943 unter dem Titel „Preußische Generäle" 51 neu herauszugeben. Er fügte allerdings dem Text alle jene frühen Gedichte und Balladen des Dichters hinzu, die sich dem Personenkreis zuordnen ließen, um das Werk nicht unter Camphausens, sondern unter Fontanes Namen veröffentlichen und damit auch den Dichter selbst in den Dienst seiner Absichten stellen zu können.
Das eigentliche Kunststück dabei bestand jedoch darin, daß der Herausgeber im Vorwort, das mit den entsprechenden Stichwörtern wie Führer und Rasse, Blut und Boden, Heimat und Scholle, Krieg und Heldentum gespickt ist, einen dem Ästhetischen übergeordneten Gedanken konstruierte, nämlich ein „nationales Bewußtsein im Kunstwerk schlechthin" 52 - was immer das auch sein mag -, und damit den Punkt gefunden zu haben glaubte, um nicht nur Fontane mit Camphausen gleichsetzen, sondern auch das künstlerische Gefälle im Beitrag Fontanes - hier die Balladen der Frühzeit, dort die „Reiterbilder" - eleminie- ren zu können. Es ist dann natürlich nur folgerichtig, das eine sozusagen aus dem Geiste des anderen zu interpretieren. Damit konnte er auch, dem Sachverhalt entgegen, die kleine Bismarck-Biographie in den Rang des Bismarckbildes des Dichters erheben und Widersprechendes in den Bereich bloßer „Stimmungsäußerungen" 53 verweisen, dem Dichter den eigenen Helden-Mythos unterlegen und ihn damit in eine vorgeblich faschistisch-nationalsozialistische Traditions- linie einordnen.
Doch unabhängig von Fontane selbst bleibt diese kleine Biographie bzw. die Quelle, aus der sie hervorging, ein noch nicht einmal unwichtiger Baustein im Prozeß der Herausbildung eines Bismarck-Bildes, das Anspruch darauf machen kann, dem Reichsgründer gerecht zu werden, ganz abgesehen davon, daß sie, obwohl mit Sicherheit aus der unmittelbaren Umgebung des Fürsten gespeist, sich wohltuend abhebt von so manchem Elaborat der Götzenanbeter von Varzin und Friedrichsruh, der Poschinger, Kohl oder auch Busch. Um aus der Vielzahl der Skizzen oder Abhandlungen biographischen Inhalts populärer oder wissenschaftlicher, bewundernder oder ablehnender Natur 54 nur eine ganz andere Stimme herauszuheben: Im Jahre zuvor, nämlich Weihnachten 1878, entfachte Moritz Busch mit seinem Tagebuch von 1870/71 „Graf Bismarck und seine Leute" 55 einen Sturm im deutschen Blätterwald, weil man dort mit einem brutalen und rohen Bismarck konfrontiert wurde. Fontane, der „solche Horcherund Detektive-Literatur" zwar bedenklich fand, akzeptierte dennoch auch dieses Bismarck-Bild. Er freue sich, so schrieb er, dieses Buch zu besitzen, und „fühle bei seiner Lektüre, daß jeder, der noch nolens volens in der Welt lebt, den Inhalt des Buches kennen muß". Es dürfe „einen bleibenden Werth beanspru- c hen, dafür hat Bismarck gesorgt" 56 . Insofern repräsentieren solche Äußerungen wie die von Moritz Busch und die - wie zu formulieren erlaubt sei -
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