Königen eingedeichte Oderbruch reiste, das er um Gusow, Seelow und Frieders- dorf, um Frankfurt, Lebus und Küstrin mite seine n Figuren bevölkerte. Geschicht und Gegenwart drängten sich beim Anblick dieses Landes so bewegend und einander bedrängend ins Bild, daß er diesen Roman schreibens mußte ; auch, al er kaum noch an dessen Erfolg zu glauben wagter , 7 auch, als er in einem übe 15 Jahre andauernden Gestaltungsprozeß immer wieder andere Projekte vor- ziehen mußte,n un d auch dann noch - in der Endphase der Arbeit am Roma (1876-78) - als er so sehr ein anderer geworden war, daß dem Ruhmeslied auf deutsche Treue und preußische Tugenden fast gleichzeitig mit dem Erstling inr Schach von Wuthena u das Menetekel vom Untergang preußisch-deutsche Tüchtigkeit in den Tagen von Jena und Auerstedt (1806) folgte. Das BefreiungsSujet „aus dem Winter 1812 auf 13" ist davon nicht unberührt geblieben.
Wer heute von den Seelower Höhen zur Oder hinabblickt, steht auf blut- getränktem Boden. Mehr als 30 000 sowjetische und deutsche Soldaten fanden hier am Beginn der letzten großen Schlacht vor den Toren Berlins im April 1945 den Tod. Darf der Fontane-Interpret vergessen, wie Geschichte und Gegenwart heute einander bedrängen? Faschismus und Preußenlegende gingen zusammen; mehr als 60 Jahre nach Fontanes Überlegungen. Beginnen wir am historischen Ort der Dichtung.
Eine Nachtfahrt hat uns an Rüdersdorf und Müncheberg vorbei bis in das Städtchen Seelow geführt [...] Der Gottessegen berührt hier das Herz mit einem ganz eigentümlichen Zauber, mit einer fromm gestimmten Freude, wie sie die Patriarchen empfinden mochten, wenn sie inmitten menschenleerer Gegenden den gottgeschenkten Segen ihres Hauses und den Reichtum ihrer Herden zählten. Wo die Hand des Menschen in harter, nie rastender Arbeit der ärmlichen Scholle ein paar ärmliche Halme abgewinnt, da kann die Vorstellung in ihm Platz greifen, als sei er es, der diesen armen Segen geschaffen habe; wo aber die Erde hundertfältige Frucht trägt und aus jedem eingestreuten Korne einen Reichtum schafft, da fühlt sich das Menschenherz der Gnade Gottes direkt gegenüber und begibt sich aller Selbstgenügsamkeit. Ein Blick von den Seelower Höhen läßt uns solchen Gottessegen schauen. Die ohnehin dicht gelegenen Dörfer rücken in dem endlosen Coulissenbilde immer dichter zusammen, und alles verschmilzt zu einer weitläufig gebauten Riesenstadt, zwischen deren einzelnen Quartieren die Fruchtfelder wie üppige Gärten blühen.8
Als Fontane 1863 seine Reisen nach Gusow und Friedersdorf in Buchform ver- öffentlicht, die als Feuilletons schon zwei Jahre zuvor in der- Neuen Preußi scm he n Zeitung (Kreuzzeitung ) erschienen waren, befand sich Preußen auf de Höhepunkt einer Verfassungskrise. Bismarck war von der Hofkamarilla nach Berlin gerufen worden, um als Ministerpräsident die in den Maiwahlen erstarkte Bt ü rgerliche Opposition in die Schranken zu weisen. Der König trug sich mi Andankungsplänen, viele malten das Gespenst einer zweiten Revolution an die Wa9 nd, als die Heereskrise in eine umfassende Vertrauenskrise übering .
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