Heft 
(1991) 51
Seite
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Die Reisen Fontanes, die ihn in Friedersdorf mit der Gestalt und wenig später mit den von Marc Niebuhr edierten Memoiren des August Ludwig von der Mar­witz bekanntmachten, fielen in diese Zeit. Der Kreuzzeitungsmitarbeiter Fon tane, der im Jahre 1862 als Kandidat der Konservativen fungierte, schrieb an 31. Oktober 1860 seinem Verleger, der Inhalt dieser Märkischen Bilder sei entschieden konservativ (nicht in dem häßlichen Sinne von .reaktionär')". Das Marwitz-Porträt geriet bei aller Kritik zum Muster eines selbstlosen Pa­trioten. Auf die eigenartige Abgrenzung des Konservativen vom Reaktionäre« ist zurückzukommen.

Von einem Bewunderer seiner Kunst aus späteren Jahren, Professor Adolf Stahr, der dem Nationalverein nahestand, hat Fontane sich den Vorwurf zuge­zogen, Haß und Standesdünkeljenes Junkertums und Junkerbewußtseins, das ein für allemal in jedem Bürgerlichen ohne Ausnahme einen moralisch niedriger Stehenden erblickte", verklärt zu haben. Am Schluß seiner durchaus anerken­nenden Rezension, in der Stahr die Marwitz-Kapitel als besonders interessan­ten Stoff lobt, greift er Fontane direkt an:Ein Edelmann, wie dieser Marwitz war, würde in seiner Geringachtung des .Bürgerthums' und der .Bildung' nur bestärkt werden, wenn er sähe, wie ein Mitglied dieses gebildeten Bürgerstan- des sich dazu herbeiließe, seine Maxime, seinen verklärenden Haß und seine Verachtung des Bürgerthums und der Gebildeten zu entschuldigen und u z beschönigen." 11 Trotz der Tatsache, daß Fontane für die Kreuzzeitung arbeitete und dieses Jahrzehnt als ein glückliches bezeichnet hat, wollte der Roman ein parteipolitisches Engagement vermeiden. 12 Berndt von Vitzewitz, der Held Romans, ist in der Endfassung nicht mehr der patriotisch gesinnte, reaktionäre Junker von der Marwitz, dessen Memoiren Fontane las. Der Umbau der Figur beginnt im Wanderungsaufsatz, der jenes kritische Echo in der ung Nationalzeit hervorbrachte. Daher glaubte Fontane, ausgewogen verfahren zu sein. In " Standesvorurteilen, wie sie das Urteil über Goethe zeigt, war und bleibt - Mar witz befangen", aber:Er glaubte an die Wiederherstellung Preußens und a- r beitete daran." Das ist ihm wichtig. Fontane bettet die konservative Kritik seines Helden an den bürgerlichen Reformern nach 1806 in die Vorgänge zwischen König und bürgerlicher Opposition Mitte der sechziger Jahre ein, wie er si e nach seiner Rückkehr aus England vorfand. Das politische Prinzip des Konser- vatismusist von jedem" anerkannt, meinte er und sah voraus:Die Tage Kampfes sind nicht vorbei'. 13

Der Marwitz-Aufsatz von 1861 aber ist nur eine Keimzelle zum Roman. D i e Notizbücher Fontanes, die Recherchen über den Landstrich Lebus zwisch en Frankfurt und Küstrin an der Oder aus den Jahren 1860 bis 1876 enthalte n immer neue Entwürfe, darunter die Exzerpte von der Hand seiner Frau aus den gedruckten Memoiren jenes Friedrich August Ludwig von der Marwitz. S ie gewähren Einblick in einen mehr als zehn Jahre währenden Prozeß der Ge­staltung. Nimmt man hinzu, daß die Spuren dieses Arbeitsprozesses im han d - schriftlichen Manuskript (heute im Märkischen Museum Berlin) erst auszugs- weise ausgewertet und auf bereitet sind,en 14 dann kann Annäherung auf mehrer Ebenen betrieben werden: vom Endprodukt des Jahres 1878 her, mit Betonu ng

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