Heft 
(1991) 51
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phischen Schriften, die ihm zwanglos Gelegenheit boten, von seinen zahlreichen literarischen Freunden und Weggefährten zu berichten. Dabei nahm er vielerlei Rücksichten, schrieb aber auch zuweilen erstaunlich direkt und polemisch, wie etwa seine doppelbödige Würdigung Storms zeigt. Eine zweite Quelle von nicht geringerer Bedeutung bildet die Korrespondenz. Auch die literaturkritischen Arbeiten, die von einer Biographie ( Christian Friedrich Scherenberg und das literarische Berlin von 1840 bis 1860) über umfängliche Essays (Walter Scott, Willibald Alexis) bis hin zu kleinen Gefälligkeitsrezensionen oder nicht zur Veröffentlichung bestimmten Lektürenotizen reichen, enthalten naturgemäß Aus­einandersetzungen mit Künsterpersönlichkeiten und artistischen Problemen all­gemeiner Art, denen Fontane sich nicht entziehen konnte oder wollte. Auch die Theaterkritiken und Tagebücher, nicht zuletzt die Reisebücher sind zu nennen, sogar das in der Nähe der Kriegsbücher angesiedelte Aus den Tagen der Okku­pation, das eine aufschlußreiche Passage über den jüngeren Dumas enthält. 3

Aber nicht nur berichtend und kritisch reflektierend hat Fontane über Kunst und Künstler geschrieben. Sie bildeten für ihn auch ein dichterisches Thema. Eindeutige Abgrenzungen lassen sich allerdings nicht treffen, denn auch wenn er anscheinend sachlich und faktenbezogen berichtet, wird die Grenze zum Fiktiven nicht selten überschritten. Meine Kinderjahre bezeichnet er im Unter­titel als .autobiographischen Roman'. In dem Reisebericht aus Schottland Jen- seits des Tween d fügt Fontane im Kapitel Von Edinburg bis Stirlin g 'seine Beobachtungen eine offenbar erfundene Begebenheit hinzu, in der ein blinder Fiedler die Hauptrolle spielt. Es handelt sich um eine Szene, mit der eine Fontanesche Erzählung beginnen könnte - aber die Stunde des Romanciers war noch nicht gekommen. 4

Die künstlerische Existenz und den Arbeitsprozeß im Werk selbst zu spiegeln, ist für Fontane jedoch schon früh verlockend gewesen. Ein wenig bekanntes Beispiel dafür bietet das im Revolutionsjahr 1848 entstandene, Fragment ge- bliebene Drama Karl Stuart, in dem gleich in der Eingangsszene Van Dyck auf- tritt und sich anläßlich der Ablieferung des von ihm gemalten Bildes der Kö­nigin mit dem König über Kunstprobleme unterhält:

»[...] Und was so leicht sich und natürlich gibt, / Als wär' das Werk uns in den Schoß gefallen, / Das rang in uns oft jahrelang nach Form (.. .] " 5 An Fontanes Romanen und Gedichten läßt sich ablesen, daß der Reiz des Themas für ihn sich niemals erschöpft, im Laufe der Jahre vielmehr an Bedeutung noch zugenom­men hat. Dabei wird Narzißmus nicht spürbar, und auch der Gefahr der Form­auflösung wußte der Autor zu begegnen. Die retardierenden Momente werden vielmehr folgerichtig in das Werk integriert. Ein höherer Grad von Bewußt­sein scheint erreicht, die Kunst denkt über sich selber nach, sie wird sich selbst zum Gegenstand - wie in vergleichbarer Weise in den vielgerühmten Roma n- dialogen des alten Dichters die Sprache, in Briefen die Briefschreibekunst zum Thema geworden ist.

Sehr persönliche Überzeugungen, Erfahrungen, Emotionen kommen dabei z u Wort. Die nicht selten ironische Behandlung solcher Zusammenhänge durch de n

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