So stand es, als Anno 40 wir schrieben;
Aber ach, wo bist du Sonne geblieben?
Ich bin noch immer, was damals ich war.
Ein Lichtlein auf demselben Altar,
Aus den Leutnants aber und Studenten
Wurden Genräle und Chefpräsidenten.
Und mitunter, auf stillem Tiergartenpfade,
Bei „Kön'gin Luise" trifft man sich grade.
»Nun, lieber F., noch immer bei Wege?"
»Gott sei Dank, Exzellenz ... Trotz Nackenschläge ...'
„Kenn' ich, kenn' ich. Das Leben ist flau ...
Grüßen Sie Ihre liebe Frau." 23
Wie eine Plauderei in einem seiner Romane oder in einem seiner Briefe kommen Fontanes Verse daher, scheinbar kunstlos und doch ausdrucksknapp und pointiert. Es sind Knittelverse, wie sie zu seiner Zeit wieder beliebt waren, salopp paarweise gereimt; populärer Ausdruck wechselt mit vorgeblich Respekt heischendem. Die Zeilenordnung deutet Strophen an, markiert aber vor allem Erzählpausen oder Dialogeinschnitte. Alles (im herkömmlichen Sinn) spezifisch Lyrische scheint zugunsten der Intimität der Aussage preisgegeben. „Ohne einen gewissen Zauber der Form geht es nicht, nur kann dieser Zauber sehr verschieden sein, hie Platen, hie Bummelton, das eine, je nachdem, so schön und so berechtigt wie das andre.' (An Friedlaender, 28. 2.1892) 24 Fontane hat es, auch so kann man Abstand gewinnen, zunehmend mit dem „Bummelton' gehalten.
Sogar recht präzise Zeitangaben sind den „Lebenswegen' beigefügt. „Fünfzig Jahre werden es ehstens sein" seit „Anno 40". Tatsächlich ist das Gedicht 1889 zum ersten Male gedruckt worden. 25 Wer wollte, konnte dem siebzigjährigen Autor damals im Tiergarten begegnen, etwa beim 1880 enthüllten Marmordenkmal der Königin Luise von Encke, das auch in dem Gedicht Meine Reiselust erwähnt wird. „Höchstens bis Königin Luise' wagt der Spaziergänger sich noch, dann geht es zurück zur „alten Dreitreppenklause,/ Hoch im Johanniterhause" 26 . In charakteristischem Zusammenhang wird das Denkmal später auch in Effi Briest vergegenwärtigt werden. 27
Der literarische Sonntagsverein „Tunnel über der Spree", um den die Erinne- ru ng kreist, existierte auch noch, lag allerdings schon lange in Agonie. Im ,Tun- n el' hatte jene für den jungen Apotheker so günstige Regel gegolten, daß er seinen weder durch ein Adelsprädikat noch durch einen akademischen Titel erweiterten bürgerlichen Namen mittels eines nom de guerre maskieren konnte. Am Sonntagnachmittag war er Lafontaine. Es war nicht die erste, allerdings die für seine Zukunft wichtigste Dichtervereinigung, der er angehört hatte, vorher war er - 1840 - in einem „Lenau-Verein" und in einem „Platen-Verein*
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