Heft 
(1991) 51
Seite
129
Einzelbild herunterladen

zen. Alles Inhaltliche und Stoffliche war wie stets nicht mehr als Material, mit dem in immer wieder anderer Weise zu verfahren war.

Was Auf der Treppe von Sanssouci beschreibt und selbst darstellt, ist die per­fekte Verwandlung von Wirklichkeit in Kunst - am Ende des Prozesses steht dasWerk' als das eigentliche und einzige Ziel. Fontane hat ein Traum-Preußen geschaffen, nicht unvergleichbar dem erträumten Brandenburg in Kleists Prinz Friiedrich von Homburg.

Kleist und Fontane - zwei in vieler Hinsicht höchst unterschiedlich geprägte Autoren. Aber wie niemand anders repräsentieren sie als Dichter eine Region, von der man einst gesagt hatte, daß in ihr die Musen und Grazien nicht blüh­ten . 44 Der eine am Beginn, der andere am Ende des Jahrhunderts, überragen sie ihre Epoche und rücken mit zunehmendem zeitlichem Abstand wie zwei Gipfel einander näher. Im vorliegenden Zusammenhang Fontane neben Kleist zu nennen, mag dazu dienen, ihn als den Poeten wahrzunehmen, der er tat­sächlich war - derSänger", wie Thomas Mann ihn genannt hat , 45 - in der Plüsch- und Butzenscheiben-Zeit der Dahn, Geibel, Wildenbruch, Wolff. Die betonte Unfeierlichkeit, die die späte Lyrik Fontanes im Gegensatz zu der feierlichen Getragenheit in Gedichten zweit- und drittrangiger Dichter charak­terisiert, bezeichnet in Verbindung mit dem zeitkritischen Gehalt gerade die Unabhängigkeit ihres Autors von epochentypischen Konventionen . 46

Prinz Friedrich von Homburg: Die zur Nachzeit in einemGarten in altfranzö­sischem Stil" vor und auf der Rampe eines märkischen Schlosses spielenden Ein­gangsszenen des Dramas vergegenwärtigen bereits das eigentümliche Nebenein­ander von Realität und Irrealität, densonderbaren Traum' des Prinzen - »Nachtwandlerei, romantische Caprice und romantische Prätension', wie Fon­tane bedauernd bemerkte, der zu diesen Szenen noch kein Verhältnis finden konnte, obwohl er in dem Drama insgesamtdas schönste und vollendetste Stück' Kleists erkannte . 47 Homburg ist ein kühner, kampfeifriger Reiterführer, der, wie wir erfahren, nur durch allzu großen Wagemut zuweilen Siege ver­scherzt und - ein Schlafwandler. Außerdem ist er verliebt und wird durch die Dame seines Herzens zuweilen von dem militärischen Geschehen abgelenkt. Eigentlich ist dieser empfindsamejunge Held' - so wird er in der Stunde seiner Todesfurcht von der Geliebten genannt werden - ein Dichter, das Wunsch­bild und der Glückstraum Kleists. Wird er dem an ihn gestellten Anspruch genügen oder wird er an der Gleichgültigkeit der Welt und an eigenen Ver­säumnissen scheitern? Der Kurfürst, der ihm den Prozeß macht und das Urteil spricht, ist ein wahrer Souverän, ein Herrscher, von dem man annehmen darf, daß er - darin gleicht er Fontanes Preußenkönig -, wie ein Gott der Komödie, den Ausgang der Prüfung, die er ins Werk setzt, kennt. Wirklich findet der Prinz in dieser Prüfung zu sich selbst, und damit ist das Verfahren gegen ihn, ohne daß «er es bereits weiß, zu Ende: zuletzt gerät ihm alles, sogar sein vorübergehendes Versagen, zum Heil . 48

Auch das Werk des Künstlers erwächst, wie es der eingangs zitierte Zweizeiler ontanes Unter ein Bildnis Adolph Menzels formuliert, aus Strenge und Samm-

129