Heft 
(1991) 51
Seite
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lung. Genügt er dem an ihn gestellten Anspruch, gelingt ihm das Werk, so ist Erfüllung sein Teil, die Kleist wie kein anderer zu benennen gewußt hat. »Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein." 48 So spricht der todbereite Prinz. Der Vers hat später seinen Platz auf Kleists Grabstein gefunden. Fontane, der sich offen­bar schon früh für Kleist interessiert hat (eine Liste von Gedichttiteln aus dem Jahre 1846 nennt neben An Platen auch Kleist. Als Dichter 50 ), hat er die Gelegen­heit nicht ungenutzt gelassen, ihm auch in Vor dem Sturm einen Platz zu geben. Im Kapitel »Lehnin* wird - Lewin weist auf sie hin - die »die umfriedete, nur ' an vier Pappeln erkennbare Stelle' erwähnt, »wo sich seit Jahresfrist der Grab­hügel Heinrichs von Kleist erhob'. Anschließend folgt ein Gespräch über die »dramatische Berechtigung oder Nichtberechtigung des Somnambulen'. 51 Nimmt man den Prinzen beim Wort, so hat er die Unsterblichkeit erobert, wie Fontane das Publikum erobern wollte - als erobere er eine Frau. Die erotische Metapher zielt auf Erfüllung, aber sie ist als solche nur eine unter anderen möglichen Metaphern für das eigentlich Gemeinte. Man kannUnsterblichkeit' auch einen Platz an Friedrichs des Großen Tafelrunde oder im Elysium nennen -es ist dasselbe'.

Fontane hat Menzel einen solchen Platz in Auf der Treppe von Sanssouci zu­geschrieben. Wer wollte bezweifeln, daß er zugleich auch von sich selbst, viel­mehr von dem eigenen Schaffen gesprochen hat, denn um dieses - ebenso wie um Menzels Werk - geht es ja eigentlich, wenn vonUnsterblichkeit', von Zu­kunft und Dauer, die Rede ist. Wie von einem Handwerk spricht Fontane in dem Gedicht Rückblick von seiner Kunst, zum Vergleich erinnert er an den nicht zuletzt durch Wagner so populären Hans Sachs (ich saß und machte meine Schuh"). Lob und Tadel erinnern ihn an den Einsatz des Spieles, das er spielt:

»Du dichtest, das ist das Wichtigste .. .'

»Du dichtest, das ist das Nichtigste.'

Wenn Dichtung uns nicht zum Himmel trüge ...'

Phantastereien, Unsinn, Lüge!'

Göttlicher Funke, Prometheusfeuer .. ."

Zirpende Grille, leere Scheuer!"

Von hundert geliebt, von tausend mißacht't.

So hab' ich meine Tage verbracht. 52

Die Möglichkeit, ein anderes Leben zu leben, tritt nicht in das Blickfeld. So und nicht anders ist ein Gedicht aus den achtziger Jahren überschrieben, das beginnt: Die Menschen kümmerten mich nicht viel,/ Eigen war mein Weg und Ziel , und dessen letzte Strophe lautet:Und sollt' ich noch einmal die Tage beginnen,/ Ich würde denselben Faden spinnen.' 53 Fontane äußert sich wie so viele seines­gleichen. Er spricht als ein Einsamer, herb, aber im Einklang mit sich selbst. Zuletzt geht es darum, die Ernte in die Scheuer zu bringen. Nach Fontanes Tod

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