Heft 
(1991) 51
Seite
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Nachruhm. Eine Wirkungsgeschichte in Dokumenten. München 1977, S. 552 ff. Auch in Briefen hat Fontane sich über Kleists Drama geäußert. An Paul Heyse schreibt er am 21. 9. 1886 ablehnend über ein ihm von diesem zur Prüfung übersandtes, ungedruckt gebliebenes Stück einer jungen Wiener Dramatikerin (Kurfürst und Kanzler von Marie Friedmann) und vergleicht: »Der Prinz von Hessen-Homburg hat zu Gevatter gestanden, und hinsichtlich der Zeitbildlichkeit läßt auch e r viel zu wünschen übrig. Aber was er historisch-brandenburgisch sündigt, das bringt er menschlich wieder ins Gleichgewicht und sorgt noch für Ueberschuß." (HF IV, 3, S. 490) Was Fontane hier mitmenschlich" meint, dürfte nicht zuletzt sein Brief vom 24. 11. 1880 an Graf Philipp zu Eulenburg zeigen, in dem er über Kleists Homburg,der partout nicht sterben will", schreibt:Jeder Mensch, der den Muth hat anders zu empfinden als der große Haufe, auch selbst in Muth-sachen muthig anders zu empfinden als die lederne Tapferkeits-Scha­blone vorschreibt, erweckt mein Interesse." (Dichter über ihre Dichtungen", Bd. 12/1. Theodor Fontane, Teil I. Hrsg, von Richard Brinkmann in Zu­sammenarbeit mit Waltraud Wiethölter. München 1973, S. 775). - Über den historischen Prinzen hat Fontane in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg,­ Band Die Graffschaft Ruppin , Kap.Neustadt a. D." im Zu sammenhang mit dessen märkischen Besitzungen geschrieben. Auch hier betont er das Mißverhältnis von Dichtung und Wirklichkeit:Prinz Friedrich von Hessen-Homburg, dies sei voraus bemerkt, war vor allem nicht der, als der er uns in dem H. v. Kleistschen Drama entgegentritt. Der H. v. Kleistsche und der historische Prinz von Homburg verhalten sich zueinander wie der Goethesche und der historische Egmont. Sie waren in der Zeit, wo sie hervortraten, keine Liebhaber und keine Leichtfüße mehr, vielmehr ernste Leute von mittleren Jahren und reichem Kindersegen, überhaupt ebenso gute Ehemänner wie Patrioten." (HF II, 1, S. 409). Vgl. auch das in späteren Auflagen aus denWanderungen ausgeschiedene KapitelFehr- bellin in Sage, Kunst und Dichtung" (HF II, 3, S. 414 ff.)

48 In dem Kapitel Kleiner Zirkel, des Romans Vor dem Sturm wechselt die beziehungsreiche Konversation von einer englischen zu einer märkischen Thematik.Von den Tudors auf die Puttkamers! Das ist denn doch ein Sprung." Die launige Bemerkung persifliert selbstironisch Fontanes Rück­wendung zu märkischen Stoffen nach seiner Rückkehr von London nach Berlin. Die Konversation mündet in Lewins gewinnende Erzählung vom Erbring der Bredows und diese unauffällig in den BibelsatzWen Gott lieb hat, dem müssen alle Dinge zum Besten dienen' (Römer 8, 28). Denselben Bibelsatz wird Tante Schorlemmer zitieren, er ist das eigentliche Schlußwort des Romans, auf das nur noch die Auszüge aus Renatens Tagebuch folgen (HI, 3, S. 454 u. 709). Dichterischer Gerichtstag über sich selbst und - so man das anspruchsvolle Wort nicht scheut - Erwählungsbewußtsein des Künstlers verbergen sich in solcher Darstellung, die Erfahrungen und Irr- tümer einer schwierigen Vergangenheit in überlegener Weise rekapituliert. Auch Lewin - ebenfalls Kastalia-Mitglied und Autor dreier kleiner Strophen

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