zu beenden („Doch es schlägt neun, und wir vergessen über dem Plaudern unser Abendbrot', VdS 2.104). Pünktlichkeit gerade bei den Mahlzeiten scheint ohnehin zu den Gepflogenheiten des Vitzewitzschen Hauses zu gehören: „Als die Stutzuhr eben zwei schlug, erschien Jeetze und meldete, daß angerichtet sei.' (VdS4.169) Und pünktlich spricht auch der Pfarrer dort vor: „Die kleine Uhr auf dem Kaminsims schlug acht. In diesem Augenblick meldete Jeetze den Pastor, (...]' (VdS 4. 37).
Diese handlungsauslösende, beendende, aber auch -unterbrechende Funktion des Uhrenschlags - wie im ersten Kapitel von EFFI BRIEST, wo der Mittagsschlag Effis Spiel mit den Freundinnen unterbricht und der Diener ihr die baldige Ankunft Innstettens mitteilt, so daß der Uhrenschlag gewissermaßen ihre Kindheit beendet - erfordert keine weitergehende Verflechtung mit der eigentlichen Szene und bildet daher ein momentanes Element. Der Stundenschlag wird aber in dem Maß wichtiger, wie er selber zum Handlungselement avanciert.
III
Das geschieht auf höchst reizvolle Weise etwa im 5. Kapitel vom FRAU JENNY TREIBEL. Corinna Schmidt und ihr Vetter Marcell befinden sich auf dem Nachhauseweg von Treibels Diner, wo Corinna auf so provozierende Art auf dem Umweg über Mr. Nelson mit Leopold Treibel geflirtet hat. Marcell ist empört und macht seinem Herzen Luft. Die Auseinandersetzung füllt, während das Paar leicht identifizierbare Berliner Schauplätze zwischen Köpenicker- und Adlerstraße passiert, das ganze Kapitel; und etwa in seiner Mitte heißt es:
Und dabei blieb sie stehen und wies auf das entzückende Bild, das sich - sie passierten eben die Fischerbrücke - drüben vor ihnen ausbreitete. Dünne Nebel lagen über den Strom hin, sogen aber den Lichterglanz nicht ganz auf, der von rechts und links her auf die breite Wasserfläche fiel, während die Mondsichel oben im Blauen stand, keine zwei Handbreit von dem etwas schwerfälligen Parochialkirchturm entfernt, dessen Schattenriß am anderen Ufer in aller Klarheit aufragte. „Sieh nur", wiederholte Corinna, „nie hab' ich den Singuhrturm in solcher Schärfe gesehen. Aber ihn schön finden, wie seit kurzem Mode geworden, das kann ich doch nicht; er hat so etwas Halbes, Unfertiges, als ob ihm auf dem Wege nach oben die Kraft ausgegangen wäre. Da bin ich doch mehr für die zugespitzten, langweiligen Schindeltürme, die nichts als hoch sein und in den Himmel zeigen wollen"«
Und in dem selben Augenblicke, wo Corinna dies sagte, begannen die Glöckchen drüben ihr Spiel.
„Ach", sagte Marcell, „sprich doch nicht so von dem Turm und ob er schön ist oder nicht. Mir ist es gleich, und dir auch; das mögen die Fachleute miteinander ausmachen. Und du sagst das alles nur, weil du von dem eigentlichen Gespräch los willst. Aber hör lieber zu, was die Glöckchen drüben spielen. Ich glaube, sie spielen: ,Üb immer Treu und Redlichkeit." (FJT 51 f.)
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